Aktuelle Inhalte aus dem Organisationshandbuch

1.3.1 Begriff und Grundlagen

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Organisationsuntersuchungen sind systematische Betrachtungen von Organisationen oder Teilen von Organisationen mit dem Ziel, nach einer Analyse ein Optimierungskonzept für die jeweilige Aufgabenerfüllung zu erarbeiten. Gegenstand einer Organisationsuntersuchung sind insbesondere Aufgaben, Prozesse, Strukturen und der Personalbedarf.

Richtschnur für jede Organisationsuntersuchung sind neben den konkreten Zielen der einzelnen Untersuchung die politischen, strategischen und operativen Ziele der Verwaltung.

Die Untersuchung muss sich an den Behördenzielen orientieren.

Auslöser für die Durchführung von Organisationsuntersuchungen können sein:

  • Veränderungen im Aufgabenbestand durch veränderte politische Zielsetzungen und Rahmenbedingungen,
  • Probleme in der Aufgabenverteilung,
  • Schnittstellenprobleme,
  • Engpässe in der Aufgabenerledigung (z. B. durch Reduzierung der Stellen/des Finanzrahmens bei gleichbleibendem Aufgabenspektrum) oder
  • die Einführung neuer oder die Erweiterung bestehender IT-Systeme.

Ebenso vielfältig wie die auslösenden Faktoren ist das Spektrum der Organisationsuntersuchung selbst. Diese kann sich mit einem isolierten Problem einer einzelnen Stelle oder Organisationseinheit ebenso befassen wie mit der flächendeckenden Betrachtung einer ganzen Abteilung oder Behörde. Die Organisationsuntersuchung kann sich zusammensetzen aus verschiedenen Bausteinen, die einzeln oder in Kombination zum
Einsatz kommen können. Schwerpunkte von Organisationsuntersuchungen sind die:

(Die Untersuchungsschwerpunkte werden in jeweils eigenen Kapiteln detailliert dargestellt.)

Bei der Durchführung von Organisationsuntersuchungen ist folgende Rangfolge der Untersuchungsschwerpunkte zu beachten: Die Aufgabenkritik ist zwingende Vorstufe von Geschäftsprozessanalysen und Personalbedarfsermittlungen. Personalbedarfsermittlungen sollten nur auf Basis optimierter Prozesse durchgeführt werden. Es ist jedoch möglich, alle Untersuchungsschwerpunkte in einem Projekt hintereinander geschaltet abzudecken. Diese Vorgehensweise trägt der allgemeinen Forderung "Strategie - Prozesse - Struktur" Rechnung.

Die Umsetzung der Ergebnisse einer Organisationsuntersuchung wirkt sich immer auch auf die jeweilige Aufbauorganisation aus. Die isolierte Betrachtung der Aufbauorganisation als Schwerpunkt einer Organisationsuntersuchung stellt eher den Ausnahmefall dar und wird in diesem Handbuch nicht vertieft. Dennoch kann auch in diesen Fällen das universelle Vorgehensmodell für die Durchführung von Organisationsprojekten mit seinen Phasen und Teilschritten eingesetzt werden. Üblicherweise ist die Aufbauorganisation Gestaltungsbereich bei der Umsetzung von Sollkonzepten, die zu den Untersuchungsschwerpunkten Aufgabenkritik, Geschäftsprozessoptimierung oder Personalbedarfsermittlung erarbeitet wurden. So werden in der Umsetzungsphase einer:

  • Aufgabenkritik beispielsweise Aufgaben verschiedener Organisationseinheiten in einem Bereich gebündelt, Aufgaben vollständig gestrichen bzw. zu anderen Behörden oder - soweit auch rechtlich möglich - zu privaten Wirtschaftsunternehmen bzw. anderen nichtstaatlichen Organisationen verlagert und die Organisationseinheiten, die bis zu diesem Zeitpunkt die Aufgaben erledigt haben, neu organisiert.
  • Geschäftsprozessoptimierung beispielsweise durch Bündelung von Aufgaben beziehungsweise durch Delegation von Verantwortung Schnittstellen reduziert.
  • Personalbedarfsermittlung beispielsweise Stellen neu zugeschnitten, Organisationseinheiten neu eingerichtet, zusammengefasst, aufgelöst, Leitungsebenen eingerichtet oder gestrichen, Aufgaben unterschiedlicher Organisationseinheiten in einem Bereich gebündelt.

In Abhängigkeit von Untersuchungsschwerpunkt und Untersuchungsbereich gibt es mehrere mögliche Herangehensweisen an eine Organisationsuntersuchung. Sie kann durchgeführt werden

  • als einmalige Aufgabe eines Untersuchungsbereichs in eigener Regie, beratend unterstützt durch das Organisationsreferat,
  • als Linienaufgabe eines Organisationsreferates mit internem Personal, mit Unterstützung externer Berater aus der öffentlichen Verwaltung, mit Hilfe externer Unternehmensberatungen.

Organisationsuntersuchungen befassen sich oftmals mit komplexen Problemstellungen und binden personelle Kapazitäten in erheblichem Umfang. Dies ist nicht nur bei dem mit der Durchführung der Erhebung, Analyse und Dokumentation beauftragten Untersuchungsteam der Fall, sondern gilt auch im jeweiligen Untersuchungsbereich. Vielfach wird der für die Durchführung der Organisationsuntersuchung erforderliche Aufwand als Argument gegen geplante Untersuchungen angeführt.

Ziel muss es deshalb sein, Organisationsuntersuchungen professionell, methodensicher, zielgerichtet und mit angemessenem Aufwand zügig durchzuführen. Dies setzt eine qualifizierte Planung, die Kenntnis der Problemstellung des Untersuchungsbereichs sowie die Auswahl der geeigneten Erhebungstechniken voraus. Die Auswahl nicht geeigneter Erhebungstechniken aufgrund zum Beispiel verkannter Problemstellungen und daraus folgend fehlgeschlagene oder wiederholte Erhebungen, können zum Scheitern einer Organisationsuntersuchung führen.

Das vorliegende Handbuch verfolgt mit seinen Instrumenten das Ziel, eine situationsgerechte Arbeitsweise zu ermöglichen. Es berücksichtigt die nachvollziehbare Abhängigkeit der Handlungsalternativen von der jeweiligen Situation, ohne empirisch gesicherte Handlungsempfehlungen abgeben zu wollen. In der Organisationspraxis hat sich herausgestellt, dass für die Lösung eines Problems häufig mehrere gleichwertige Vorgehensweisen oder Handlungsalternativen existieren. Die Auswahl der optimalen Alternative ist in hohem Maße von verschiedenen internen und externen Faktoren sowie Bedingungen der Organisation abhängig, so dass hier keine generellen Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können. Vor diesem Hintergrund muss für jede Organisation eine individuelle Würdigung der Situation vorgenommen werden, wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot(§ 7 Bundeshaushaltsordnung (BHO)) zu beachten ist.
Beispiele:

• Die Notwendigkeit zur Einrichtung eines Projektlenkungsausschusses ist unter anderem abhängig von der Komplexität des Projektes. Bei kleinen Projekten kann von der Einrichtung abgesehen werden.

• Die Notwendigkeit zur Durchführung einer Voruntersuchung ist unter anderem abhängig von der Komplexität des Projektes und von den bereits vorhandenen Informationen zum Untersuchungsbereich.

• Die Anwendbarkeit der Erhebungstechnik Zeitaufnahme ist unter anderem abhängig von der Bearbeitungszeit einer Aufgabe.

• Die Anwendbarkeit der Erhebungstechnik Analytisches Schätzen ist abhängig von der Aufgabenstruktur des Untersuchungsbereichs.
Bei der situationsgerechten Arbeitsweise ist auf eine nachvollziehbare, dokumentierte Begründung zu achten. Willkürliche Entscheidungen können somit verhindert werden.

Die Organisationsuntersuchung ist als ein eigenständiger Prozess anzusehen und als solcher sorgfältig zu planen, durchzuführen und zu dokumentieren. Das später erläuterte Vorgehensmodell beschreibt diesen Prozess idealtypisch und stellt eine Handlungsempfehlung dar. Ob und wie die dargestellten Phasen und ihre Teilschritte durchlaufen werden und welche Techniken sinnvoll eingesetzt werden können, hängt vom jeweiligen Einzelfall, seiner Problemstellung, Zielsetzung und deren Komplexität ab.