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Exkurs: Leitungsspanne

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Der Begriff Leitungsspanne (auch Kontrollspanne) bezeichnet die Zahl der Stellen, die einer übergeordneten Instanz direkt unterstellt sind [1].


Zu den Beschäftigten, die diese Stellen innehaben, werden die sach- und personalbezogenen Leitungs- und Führungsaufgaben von der jeweiligen Führungskraft wahrgenommen. Das Spektrum der wahrzunehmenden Leitungs- und Führungsaufgaben ist meist unabhängig von den Spezifika einzelner Behörden. Zu den Leitungs- und Führungsaufgaben zählen üblicherweise:

  • Fachliche Anleitung und Aufsicht

    • Festlegung der Arbeitsziele, Aufgaben und Prioritäten, soweit dies nicht durch übergeordnete Vorgesetzte geschieht,

    • ständige Aufgabenkritik und Planung einer wirtschaftlichen und rechtzeitigen Durchführung der Aufgaben,

    • Organisation der Zusammenarbeit in der Organisationseinheit (vgl. § 11 Abs.2 GGO),

    • Einweisung, Anleitung und Information der Beschäftigten,

    • Verteilung der Aufgaben auf die Beschäftigten,

    • Koordination und Kontrolle der Aufgabenerledigung,
  • Personalführung

    • Mitarbeitergespräche (Fürsorge, Konfliktbewältigung) führen,

    • Personalführungsgespräche/Beurteilungsgespräche führen,

    • Beurteilungen erstellen,

    • Entwicklung der Beschäftigten fördern (z. B. Fortbildungen veranlassen),

    • Abwesenheiten (Dienstreisen, Urlaub, Zeitjournale) koordinieren,

    • Leistungsbewertungen erstellen (soweit es sich um Tarifbeschäftigte handelt),
  • Teilnahme an Besprechungen, soweit nicht eindeutig vorgangsbezogen (Referatsleiterbesprechungen, Besprechungen bei der Abteilungs- und Hausleitung).


Neben der Wahrnehmung von Leitungs- und Führungsaufgaben sollen Führungskräfte regelmäßig auch sachbearbeitend tätig werden.

Einflussgrößen auf den Aufwand von Führungsaufgaben und somit auf die Leitungsspanne können die Folgenden sein [2] :

Merkmal Beschreibung
Komplexität der Aufgaben
  • Komplexe, einzigartige Aufgaben verlangen tendenziell nach einer kleineren Leitungsspanne.

  • Einfache, routinemäßige Aufgaben verursachen weniger Führungsaufwand und führen zu einer größeren Leitungsspanne.
Delegationsgrad
  • Haben Beschäftigte wenige Entscheidungsbefugnisse, kann die Führungskraft nur eine kleine Leitungsspanne abdecken.

  • Hat die Führungskraft die Möglichkeit Entscheidungen zu delegieren, kann sie eine größere Leitungsspanne verkraften.
Koordination der unterstellten
Beschäftigten
  • Werden die Beschäftigten per Einzelanweisung geführt, wird entsprechend hoher Führungsaufwand verursacht.

  • Erfolgt die Koordination der Aufgaben selbst bestimmt durch die Beschäftigten oder durch ein standardisiertes Programm, ist der Aufwand erheblich geringer und eine höhere Leitungsspanne möglich.
Qualifikation
der unterstellten Beschäftigten
  • Hoch qualifizierte Beschäftigte benötigen weniger Anleitung und Führung als geringer qualifizierte, sie arbeiten und treffen Entscheidungen selbständig.

  • Die Qualifikation wirkt sich entscheidend auf einen Teil der o. g. Merkmale aus, beispielsweise auf Delegationsgrad und Koordinationsaufwand.
Neuartigkeit und Veränderungspotential
der Aufgabe
(zum Beispiel Projektarbeit)
  • Neue beziehungsweise ständiger Veränderung unterliegende Aufgaben erfordern viele Grundsatzentscheidungen und verlangen tendenziell nach einer kleineren Leitungsspanne.
  • Routineaufgaben verursachen weniger Führungsaufwand und ermöglichen eine größere Leitungsspanne

Einflussgrößen auf den Aufwand von Führungsaufgaben

Hinzu kommen Einflüsse auf die Kapazität der Führungskraft [3]:

MerkmalBeschreibung
Qualifikation
der Führungskraft
  • Eine hohe Qualifikation auf dem Gebiet Leitung und Führung begünstigt eine große Leitungsspanne. Führungsstile und -techniken, die die Beschäftigten zu eigenverantwortlichem und selbständigem Arbeiten motivieren, ermöglichen größere Leitungsspannen.
  • Bei der Bestimmung der Leitungsspanne muss allerdings darauf geachtet werden, dass keine persönlichen Merkmale zur Ermittlung dienen.
Belastung durch andere
Aufgaben
  • Hat die Führungskraft ausschließlich Führungs- und Leitungsaufgaben zu erledigen, kann die Leitungsspanne größer sein, als wenn sie zusätzliche fachliche Aufgaben (eigene Sachbearbeitung) zu erledigen hat.

Entlastung durch Stabsstellen
  • Die Entlastung der Führungskraft durch eine Stabsstelle [4] , zum Beispiel zur Durchführung der Kontrollfunktion, erhöht die mögliche Leitungsspanne.
Entlastung durch IT
  • Auch Führungsaufgaben können durch den Einsatz geeigneter IT unterstützt und vereinfacht werden, beispielsweise Führungsinformationssysteme, Performance Management Systeme, Workflows.

Einflussfaktoren auf die Kapazität der Führungskraft

Je mehr Beschäftigte einer Führungskraft unmittelbar unterstellt sind, also je größer die Leitungsspanne ist, desto weniger Leitungsebenen sind erforderlich. Mit der Frage nach der optimalen Leitungsspanne, also danach wie viele Beschäftigte einer Führungskraft direkt unterstellt sein sollten, beschäftigt sich die Organisationswissenschaft und -praxis schon seit langem intensiv.

Anlass hierfür ist, dass die Leitungsspanne sich direkt auf den Erfolg einer Organisation auswirkt, da sie maßgeblichen Einfluss sowohl auf die Personalkosten der Organisation als auch auf deren Produkt- oder Dienstleistungsqualität hat. Allgemein gültige Aussagen, die zum Thema der optimalen Leitungsspanne getroffen werden können sind, dass:

  • die optimale Leitungsspanne dort liegt, wo die Führungskraft ihre Aufgaben noch zufrieden stellend wahrnehmen kann, ihre Kapazität aber voll ausgelastet ist,
  • die optimale Leitungsspanne einer Organisationseinheit immer im Kontext zur Vision und Strategie der Gesamtorganisation passen muss, und
  • keine pauschalen Aussagen zur optimalen Größe der Leitungsspanne getroffen werden können, da diverse spezifisch gewichtete Faktoren (Führungsstil, Komplexität der Aufgaben etc.) diese beeinflussen.

Die Größe der Leitungsspanne und die Gliederungstiefe (Anzahl der Hierarchieebenen) einer Organisation stehen in direktem Verhältnis zueinander. Herrschen in der Organisation große Leitungsspannen vor, ist die Hierarchie der Organisation tendenziell flach, bei niedrigen Leitungsspannen meist steil.

Folgende Vor- und Nachteile können bei verschiedenen Hierarchietiefen beobachtet werden und sind bei der Festlegung der Leitungsspanne zu berücksichtigen [5]:

GliederungstiefeVorteileNachteile
flache Hierarchie
  • geringe Peronalkosten aufgrund geringer Anzahl von Führungskräften

  • schnelle Kommunikations- und Informationswege

  • Förderung der Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Kreativität der Beschäftigten

  • Reduktion der Abstimmungserfordernisse und ggf. -probleme
  • Gefahr der Überlastung der Führungskräfte mit Auswirkung auf Qualität, Wirtschaftlichkeit und Mitarbeiterzufriedenheit

  • Personalentwicklung wird möglicherweise gebremst, da nur begrenzte Stellen für den Aufstieg vorhanden sind

  • mögliche Ausbildung informeller Hierarchien

steile Hierarchie
  • bessere Einflussnahme durch Führungskräfte möglich

  • mehr Zeit für Führungsaufgaben

  • erleichterte Koordination/Kontrolle
  • Kommunikations- und Informationsfluss gebremst

  • mangelnde Flexibilität

  • Tendenz zu unselbständigen Beschäftigten

  • höhere Personalkosten aufgrund höherer Anzahl von Führungskräften

Vor- und Nachteile verschiedener Hierarchieausprägungen

Fußnote

[1] Vgl. Bokranz/Kasten (2003), S. 58.

[2] Vgl. Krems (2012)

[3] Krems (2012)

[4] Gleiches gilt bei Bestehen der Funktion einer Ständigen Stellvertretung

[5] Vgl. Krems (2012)