Aktuelle Inhalte aus dem Organisationshandbuch

6.4.2 Brainwriting

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Methoden und Techniken

(Methode 653, Collective-Notebook)

Brainwriting ist eine Abwandlung der Brainstorming-Methode, bei der die Ideen nicht verbal geäußert, sondern schriftlich formuliert werden. Auch hier ist die Einhaltung bestimmter Grundregeln notwendig:

  • Quantität geht vor Qualität, es sollen so viele Ideen wie möglich gefunden werden, ohne dass diese direkt nach ihrem Sinngehalt gefiltert werden.
  • Während der Durchführung darf keinerlei Kritik oder Bewertung der Ideen stattfinden.
  • Die geplante Zeit sollte voll ausgenutzt werden, ohne dass das Brainwriting vorher abgebrochen wird.

6.4.2.1 Einsatzbereiche

Brainwriting eignet sich wie Brainstorming als Ideensuch- und Kreativitätstechnik besonders für einfach strukturierte Problemstellungen während aller Phasen einer Organisationsuntersuchung, weniger für komplexe Problemstellungen. Die während des Brainwriting gesammelten Lösungsansätze können mit Hilfe verschiedener Bewertungsverfahren bewertet und sortiert werden.

6.4.2.2 Verfahrensbeschreibung

Die Durchführung einer Brainwriting-Sitzung ist formalisierter als beim Brainstorming, der Austausch der Gedanken findet über vorher definierte Wege statt. Ideen werden nicht wie beim Brainstorming einfach in den Raum gestellt. Dabei können, je nach Bedarf, verschiedene Abwandlungen zum Einsatz kommen. Im Folgenden werden als Varianten die Methoden 653 und Collective-Notebook betrachtet.

1. Vorbereitung

Beim Brainwriting ist die Themenstellung/das Problem präzise abzugrenzen und zu formulieren. Fachlich heterogene Gruppen sind aufgrund ihrer verschiedenen Sichtweisen des Problems vorteilhaft. Die hierarchischen Abhängigkeiten können beim Brainwriting allerdings vernachlässigt werden, da durch die Schriftform und Anonymität der Dokumentation die Zuordnung der Ideen zu einzelnen Personen erschwert ist. Dies wirkt sich positiv auf die freie Meinungsäußerung aus. Ist der geeignete Teilnehmerkreis ausgewählt, ist dieser rechtzeitig über das Thema zu informieren. Die Zeitplanung für ein Brainwriting ist davon abhängig, welche Variante gewählt wird, wie viele Personen welche Anzahl von Ideen auf welchen Wegen untereinander austauschen sollen. Es ist in jedem Fall ausreichend Zeit für das Ausformulieren der Gedanken vorzusehen.

1a. Methode 653:

Die teilnehmenden Personen sitzen um einen großen Tisch. Bei sechs Beteiligten und sechs Runden á jeweils circa fünf Minuten ist mindestens eine halbe Stunde für die eigentliche Ideensammlung (ohne Einführung und Auswertung) einzuplanen. Zur Unterstützung der Ideensammlung empfiehlt es sich, einen entsprechenden Erhebungsbogen vorzubereiten.

1b. Collective-Notebook:

Da die teilnehmenden Personen die Ideensammlung für sich alleine durchführen, muss die Themenstellung schriftlich formuliert werden und mit Terminsetzung für die Rücksendung oder den Austausch der Ideenblätter untereinander an die Beteiligten weitergegeben werden.

2. Durchführung

2a. Methode 653:

Zu Beginn erfolgt eine kurze Vorstellungsrunde der sechs Personen und Einführung in das Thema im Rahmen der Moderation. Die Zeit pro Runde (sechs Runden insgesamt, da die auf vorbereiteten Blättern notierten Ideen fünf mal weitergegeben werden) sollte bei circa fünf Minuten liegen, so dass mindestens eine halbe Stunde für die eigentliche Ideensammlung (ohne Einführung und Auswertung) einzuplanen ist. Jede Person erhält ein Blatt Papier, auf dem sie in den kommenden fünf Minuten drei Ideen notieren soll. Nach Ablauf der Zeit geben alle ihr Blatt in einer bestimmten Richtung an die Nachbarn weiter. Diese schreiben nun drei weitere Ideen auf diesen Zettel. Diese Ideen können die Vorgängerideen ergänzen oder variieren, dürfen aber auch vollständig andere, neue Ideen sein. Es herrscht kein Zwang, in jedes Kästchen etwas zu schreiben. Wer keine Idee hat, lässt Kästchen frei. Das Ende ist erreicht, wenn alle Blätter von allen Beteiligten bearbeitet wurden, in diesem Fall nach sechs Runden. Ist jeder Zettel einmal komplett herumgewandert, hat das Team so in kürzester Zeit bis zu 108 Ideen und Lösungsansätze erarbeitet, die abschließend ausgewertet werden können. Es ist natürlich auch möglich, die 653-Methode mit mehr oder weniger als sechs Personen durchzuführen. Eine Teilnehmerzahl von vier Personen sollte jedoch nicht unterschritten werden.

2b. Collective-Notebook:

Die teilnehmenden Personen treffen sich nicht zur gemeinsamen Ideensammlung. Sie erhalten die Problemstellung schriftlich und haben nun einen vorgegebenen Zeitraum (mehrere Tage bis Wochen, je nach Dringlichkeit des Problems), um ihre Ideen zu notieren. Möglich ist auch, dass die gesammelten Ideen zur Ergänzung an andere Beteiligte weitergeleitet werden. Der Einsatz von DV-Anwendungen ist im Fall der Methode Collective-Notebook in Form der Weiterleitung der Ideen per E-Mail oder als elektronisches Diskussionsforum durchaus denkbar und vorteilhaft. Am Ende des definierten Zeitraumes senden alle Beteiligten ihre Ideen an den Verantwortlichen.

3. Auswertung

Nach dem Sammeln der Ideen werden Unklarheiten durch Rücksprache mit den Beteiligten bereinigt und es kann die Auswertung der Ergebnisse erfolgen. Für die Bewertung der Ideen stehen verschiedene Bewertungsmethoden zur Verfügung. Eine Möglichkeit der Bewertung ist die Einteilung der gesammelten Lösungsansätze in folgende Kategorien: sofort realisierbar, mittelfristig realisierbar, unbrauchbar.

6.4.2.3 Bewertung

Vorteile:

  • Brainwriting ist unkompliziert durchzuführen und erfordert wenig methodisches Wissen bei den teilnehmenden Personen. Eine Moderation ist deshalb nicht erforderlich.
  • Die gefundenen Ideen werden nicht direkt zerredet.
  • Es wird eine hohe Anzahl von Ideen und Lösungsvorschlägen in relativ kurzer Zeit geliefert.
  • Der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung ist gering.
  • Hierarchische Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Personen sind im Gegensatz zum Brainstorming unbedeutend und vernachlässigbar.
  • Auch zurückhaltende Personen können Ideen ungestört äußern, da die mögliche Selbstdarstellung Einzelner unterbunden wird.
  • Die möglichen Nachteile einer Gruppendiskussion (hoher Zeitaufwand, Spannungen im Team etc.) werden vermieden.


Nachteile:

  • Die Nachbearbeitung ist aufgrund der großen Menge der Ideen und deren Unstrukturiertheit aufwändig.
  • Die Spontanität der Beteiligten ist aufgrund des formalisierten Ablaufs eingeschränkt.
  • Je nach Einsatzart kann eine starke Bindung an die Ideen des Vorgängers vorliegen.
  • Die Schriftform fördert eher das logische Denken als die Kreativität.

6.4.2.4 Hinweise und Tipps aus der Praxis

Ein wichtiger Punkt bei der Methode 653 ist die Ruhe im Raum. Die Methode setzt voraus, dass niemand spricht. Nachfragen wegen Unleserlichkeit sind hinderlich und sollten unterbleiben. Legen Sie deshalb besonderen Wert auf eine gut lesbare Schrift. Grundvoraussetzung für jeden kreativen Prozess ist die strikte Trennung von Ideensammlung und Ideenbewertung.