1.3.2.3 Personalvertretungsrecht
Artikel Einführung
Allgemeines
Die Durchführung von Organisationsuntersuchungen unterliegt dem Direktions- und Organisationsrecht einer Behördenleitung. Das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung ergibt sich aus der Art und Weise der Durchführung der Untersuchung und der vorgesehenen Erhebungsmethodik.
1.3.2.3.1 Mitbestimmung bei der Datenerhebung
Folgende Regelungen im BPersVG können bei der Datenerhebung während Organisationsuntersuchung ein Mitbestimmungsrecht durch die Personalvertretung begründen:
Mitbestimmung über den Inhalt von Personalfragebogen für Angestellte und Arbeiter (§ 75 Abs. 3 Nr. 8)
Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17)
- Mitbestimmung über den Inhalt von Personalfragebogen für Beamte (§ 76 Abs. 2 Nr. 2)
Im Folgenden werden für die gängigen Datenerhebungstechniken, die im Rahmen von Organisationsuntersuchungen eingesetzt werden, die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung aufgezeigt.
Rechtsgrundlage BPersVG | Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung | Fazit |
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Mitarbeiterfragebogen | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 8 § 76 Abs. 2 Nr. 2 | Bei der Erhebung personenbezogener Daten (Name, Amtsbezeichnung, Vergütungsgruppe, berufliche Erfahrung, subjektive Vorbildungsvoraussetzungen, persönliche Meinungen und Bewertungen) hat die Personalvertretung ein Mitbestimmungsrecht. Werden reine Sachinformationen bezüglich Inhalt, Umfang, Bedeutung der Tätigkeiten (zum Beispiel Arbeitsplatz-, Aufgaben-, Tätigkeitsbeschreibungen, Aufgabengliederungen) ohne Bezug zum Beschäftigten erhoben, besteht kein Mitbestimmungsrecht durch die Personalvertretung. | Der personenbezogene Teil des Fragebogens ist der Mitbestimmung der Personalvertretung zugänglich zu machen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf den Inhalt des Fragebogen (Art, Gegenstand, Umfang der Fragen) und nicht auf die Entscheidung, ob ein solcher Fragebogen eingesetzt werden kann. |
Selbstaufschreibung/tägliche Arbeitsaufzeichnung | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 8 § 76 Abs. 2 Nr. 2 | Bei der Erhebung personenbezogener Daten (Name, Amtsbezeichnung, Vergütungsgruppe, berufliche Erfahrung, subjektive Vorbildungsvoraussetzungen, persönliche Meinungen und Bewertungen, persönliche Verteilzeiten, Erholungszeiten) besteht ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. Die Erhebung reiner Sachinformationen bezüglich Inhalt, Umfang, Bedeutung der Tätigkeiten (Arbeits-platz-, Aufgaben-, Tätigkeitsbeschreibungen, Aufgabengliederungen) ohne Bezug zum Beschäftigten unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. | Der personenbezogene Teil ist der Mitbestimmung zugänglich zu machen. |
Laufzettel | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 8 § 76 Abs. 2 Nr. 2 | Laufzettel sind in der Regel nicht mitbestimmungspflichtig, da sie keine personenbezogenen Daten, sondern ausschließlich sachbezogene Daten enthalten. | Kein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. |
Zeitaufnahme mittels Zeitmessgerät | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 8 § 76 Abs. 2 Nr. 2 | Die Personalvertretung hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Dies gilt jedoch nur für technische Geräte, die fähig sind, selbständig Daten zu erheben. Da ein Zeitmessgerät nicht selbständig Daten erheben kann, ist es kein technisches Gerät im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG, sondern lediglich ein technisches Hilfsmittel. Der Messvorgang an sich wird durch menschliches Handeln ausgelöst. | Kein Mitbestimmungsrecht bei Zeitaufnahme mittels Zeitmessgerät. |
Analytisches Schätzen | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 8 § 76 Abs. 2 Nr. 2 | Werden personenbezogene Daten explizit erhoben (beispielsweise persönliche Verteilzeiten, Erholungszeiten), hat die Personalvertretung ein Mitbestimmungsrecht. Dies gilt jedoch nicht für die Erhebung ausschließlich sachbezogener Daten (aufgabenbezogene Mengen und Zeitanteile). | Das Analytische Schätzen ist in der Regel nicht mitbestimmungspflichtig, da keine personenbezogenen Daten, sondern ausschließlich sachbezogene Daten erhoben werden. |
Multimomentaufnahme | ||
§ 75 Abs. 3 Nr. 17 | Wird bei der Multimomentaufnahme ein technisches Gerät (zum Beispiel Filmkamera) eingesetzt, welches selbständig Daten erheben kann, hat die Personalvertretung ein Mitbestimmungsrecht. Erfolgt die Multimomentaufnahme durch manuelle Eintragung der Daten auf Papier, entfällt das Mitbestimmungsrecht. | Das Mitbestimmungsrecht ist abhängig von der Aufnahmetechnik. |
Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung bei Anwendung verschiedener Datenerhebungstechniken
Das Mitbestimmungsrecht besteht auch dann, wenn die Datenerhebungen von externen Beratern entwickelt und durchgeführt werden, da diese für den Arbeitgeber tätig werden.
1.3.2.3.2 Mitbestimmung bei der Datenauswertung
Folgende Regelungen im BPersVG können hinsichtlich der Datenauswertung innerhalb der Organisationsuntersuchung ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung begründen:
- Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17)
Verhaltensdaten geben Auskunft über das Verhalten bei der Erfüllung von Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis.
Leistungsdaten geben Auskunft über die Erfüllung der im Rahmen der vertraglichen beziehungsweise dienstlichen Arbeitspflicht geleisteten Arbeiten (quantitatives und qualitatives Arbeitsergebnis eines Beschäftigten, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum).
Die Gefahren einer Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten durch eine technische Datenerhebung gelten sinngemäß auch für die technische Datenverarbeitung. Somit unterliegt auch die bloße Auswertung von Verhaltens- und Leistungsdaten durch eine technische Einrichtung dem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich dabei sowohl auf die Ermittlung und die Aufzeichnung der Daten als auch auf deren anschließende Auswertung und Verarbeitung, soweit hierbei eine technische Einrichtung zum Einsatz kommt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob leistungs- und verhaltensbezogene Daten unmittelbar auf technischem Wege, also durch die Einrichtung selbst, erhoben werden oder ob sie im System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (mittelbare Datenerfassung). Dieses ist zum Beispiel beim Einsatz von Tabellenkalkulationssoftware gegeben.
Die technische Auswertung von Leistungsdaten mittels Computer stellt grundsätzlich nur dann eine Überwachung durch eine technische Einrichtung dar, wenn die Leistungsdaten einzelnen Beschäftigten zugeordnet werden können, die betreffenden Beschäftigten also identifizierbar sind. Dieses ist auch dann der Fall, wenn bei einer Verschlüsselung Kennzahlen mit einer Namensliste abgeglichen werden können oder die Daten zu Aussagen über das Verhalten oder die Leistung einzeln erkennbarer Personen oder überschaubarer Gruppen verknüpft werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [1] kommt es für die Begründung eines Mitbestimmungsrechtes nicht auf die Überwachungsabsicht des Arbeitgebers an. Entscheidend ist allein, ob die genutzte technische Einrichtung zur Kontrolle der Beschäftigten geeignet ist. Dabei ist es unerheblich, welche Methode zur Datenerhebung eingesetzt wurde, spätestens die IT-gestützte Datenauswertung unterliegt nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG dem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Datenauswertung nicht von der Behörde selbst, sondern von externen Beratern im Auftrag der Behörde durchgeführt wird.
Datenerhebung und Datenauswertung sind zwei rechtlich gesondert zu prüfende Vorgänge. Es ist denkbar, dass Daten manuell und damit ohne Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung erhoben werden können, die anschließende Auswertung jedoch maschinell (per PC) erfolgt und damit dem Mitbestimmungsrecht unterliegt.
Empfehlung: Auch wenn einzelne Erhebungstechniken nicht mitbestimmungspflichtig sind, bietet es sich an, die Personalvertretung bereits im Vorfeld einer jeden Organisationsuntersuchung zu beteiligen. Denn bei der Durchführung von Personalbedarfsermittlungen erfolgt die Datenauswertung in der Regel IT-gestützt (Einsatz von Tabellenkalkulation oder Organisationssoftware). Zur Plausibilisierung einzelner Daten ist oft eine Zuordnung der Daten zu den jeweiligen Beschäftigten möglich. Folglich ist stets ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG gegeben, wenn Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung von einzelnen Beschäftigten möglich sind.
Im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BPersVG sollte die Personalvertretung über die Durchführung einer bevorstehenden Organisationsuntersuchung frühzeitig informiert werden. Eine umfassende Abstimmung bezüglich der einzusetzenden Untersuchungsmethoden ersetzt gesonderte Einzelbeteiligungen, wenn zum Beispiel im Laufe der Untersuchung weitere, vorher nicht vorgesehene Erhebungstechniken eingesetzt werden sollen. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass sämtliche Erhebungstechniken bei Bedarf zum Einsatz kommen können und die Datenauswertung IT-gestützt erfolgen soll. Ebenso wichtig ist der Hinweis, dass eine Identifizierung von einzelnen Beschäftigten zwar nicht bezweckt, aber dennoch möglich ist. Eine Übersicht der angesprochenen Methoden sollte der Personalvertretung vorgelegt werden. Unabhängig davon kann zwischen Behörde und Personalvertretung bezüglich des Einsatzes von Untersuchungsmethoden und IT im Zusammenhang mit Organisationsuntersuchungen eine Dienstvereinbarung nach § 73 BPersVG abgeschlossen werden. Hiervon unberührt bleibt der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Personalvertretung während des gesamten Verlaufs einer Organisationsuntersuchung.
Hinweis: Die hier geschilderten Methoden entsprechen denen, die vom REFA-Bundesverband e.V. mit den Sozialpartnern (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden) abgestimmt wurden.
Fußnote
[1] Weitergehende Informationen: Vgl. BMI (2012), S.30f.