Aktuelle Inhalte aus dem Organisationshandbuch

2.3.1 Ist-Erhebung

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Vorgehensmodell

Erster Schritt der Hauptuntersuchung ist die Erhebung und Sammlung von Informationen und Daten zum Untersuchungsbereich. Relevant sind alle Informationen, die dazu beitragen, eine konkrete Darstellung der Ist-Situation zu ermöglichen. Die in der Ist-Erhebung erhobenen Daten beschreiben detailliert die Ausgangssituation und liefern die Basis für die spätere Ist-Analyse und Soll-Konzeption.

Sofern eine Voruntersuchung durchgeführt wurde, setzt die Hauptuntersuchung auf deren Ergebnissen auf. Wurde keine Voruntersuchung durchgeführt, erfolgt der Einstieg in die Hauptuntersuchung in der Regel über eine Dokumentenanalyse. Sie ermöglicht dem Untersuchungsteam einen schnellen Einblick in die Aufgaben, Prozesse, Schnittstellen und Rahmenbedingungen des Untersuchungsbereichs.

Die Ist-Erhebung kann sich auf folgende organisatorische Informationen und Daten zum Untersuchungsbereich erstrecken:

  • die bisherige Entwicklung (Historie) des Untersuchungsbereichs,
  • die Ist-Situation mit

    • Aufgabenstruktur und -inhalten,
    • organisatorischen Strukturen (Aufbauorganisation mit bestehender Personalstruktur und ggf. bestehenden Abweichungen,
    • Ablauforganisation mit den zugrundeliegenden Geschäftsprozessen),
    • organisatorische Rahmenbedingungen (interne und externe Beziehungen, Schnittstellen, Kommunikationswege),
    • Aufgabenträgern (Ausbildungsgrad, Kompetenzen, Zuständigkeiten, Befugnisse),
    • Soll-Vorgaben (beispielsweise Verpflichtung zum 4-Augenprinzip für die Aufgabenerledigung),
    • allgemeinen Rahmenbedingungen,
    • Arbeitsmengen,
    • Zeitbedarf,
    • eingesetzten Sachmitteln,
    • Problemen/ Verbesserungsvorschlägen,
  • Entwicklungstendenzen (Ausblick in die Zukunft).

Von der Vollständigkeit und Qualität der erhobenen Daten hängt die Qualität der späteren Lösungsvorschläge ab. Damit sind sie ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Organisationsuntersuchung. Bei der Datenerhebung muss der Ist-Zustand nur so weit und so detailliert erhoben werden, wie es zur Problemlösung erforderlich ist. Auch sollten bereits erkennbare Entwicklungen (anstehende gesetzliche Änderungen, Veränderungen im Mengengerüst, in der Personalstruktur etc.) einbezogen werden.

Die Art der zu erhebenden Daten und damit die anzuwendenden Erhebungs- und Dokumentationstechniken sind abhängig vom Untersuchungsschwerpunkt der Organisationsuntersuchung (Aufgabenkritik, Geschäftsprozessoptimierung, Personalbedarfsermittlung).

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Art der zu erhebenden Daten in Abhängigkeit zum Schwerpunkt der Untersuchung und den sich daraus ergebenden Methoden:

AufgabenkritikProzess-optimierung

Personalbedarfsermittlung

DatenAufgabenProzesseAufgaben (detailliert)Bearbeitungs- zeitenMengen
Erhebungs- technikenInterview
Workshop
Fragebogen
Dokumenten-
analyse
Interview
Workshop
Fragebogen
Dokumenten-
analyse
Laufzettel
Interview
Workshop
Fragebogen
Laufzettel
Selbstauf-
schreibung
Multimoment-
aufnahme
Zeitaufnahme
Laufzettel
Analytisches
Schätzen
Dokumenten-
analyse
Selbstauf-
schreibung
Analytisches
Schätzen
Dokumentations- technikenAufgaben-
gliederung
Funktions-
verteilungsplan
MindMapping
Prozessmodell

Aufgabengliederung
Funktionsverteilungsplan
MindMapping
Prozessmodell

Erhebungs- und Dokumentationstechniken in Abhängigkeit vom Untersuchungsschwerpunkt [1]

Zusätzliche Informationen zu den Rahmenbedingungen (Arbeitsmittel, Hierarchien, Kommunikations- oder Mitzeichnungswege, Kritikpunkte der Beschäftigten etc.) werden je nach Bedarf und Zielstellung der Organisationsuntersuchung ebenfalls berücksichtigt.

Je nach eingesetzter Erhebungstechnik müssen die notwendigen Dokumente und Formulare vorbereitet und an die vorliegenden Gegebenheiten angepasst werden. Auch zur Durchführung von Interviews und/oder Workshops wird empfohlen, im Vorfeld einen Fragenkatalog oder einen Gesprächsleitfaden zu erstellen. Es hat sich in der Praxis bewährt, alle Hierarchieebenen in die Untersuchung einzubeziehen. Dadurch wird die Akzeptanz bei den Beschäftigten gefördert und nur so ist eine vollständige Ist-Erhebung überhaupt möglich. Inwieweit die Erhebung von Ist-Daten auf der Führungs- und Leitungsebene dabei auf einem abstrakteren Niveau erfolgt, ist untersuchungsspezifisch festzulegen.

Die Erhebung der Aufgaben oder Prozesse erfolgt in der Regel vom Groben zum Detail. Diese Vorgehensweise vereinfacht die Erhebung und unterstützt die Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten.

Die Erhebung der Zeiten erfolgt auf Basis der detailliert ermittelten Aufgaben mit Hilfe einer geeigneten Erhebungstechnik (Methoden und Techniken). Die Ermittlung der Mengen beziehungsweise Fallzahlen für Aufgaben oder Prozesse ist vorrangig über vorhandene Statistiken zu ermitteln. Liegen solche nicht vor, muss die Bearbeitungsmenge ausgezählt oder geschätzt werden.

Nach Abschluss der Ist-Erhebung liegen, je nach Untersuchungsschwerpunkt, folgende Informationen vor:

  • Aufgaben und/oder Prozesse,
  • Informationen zur Aufbau- und Ablauforganisation,
  • Schnittstellen,
  • Bearbeitungszeiten und Mengen,
  • Anhaltspunkte für Stärken und Schwächen,
  • Rahmenbedingungen/Restriktionen für Veränderungen.

Die Ergebnisse der Ist-Erhebung werden für den Abschlussbericht dokumentiert. Es empfiehlt sich, sie mit dem Untersuchungsbereich abzustimmen, um Missverständnisse und Fehlinterpretationen und deren Einfluss auf die Qualität der Lösungsvorschläge zu vermeiden. Nur auf dem Fundament einer mit dem Untersuchungsbereich abgestimmten Ist-Erhebung kann eine belastbare Ist-Analyse und Soll-Konzeption aufgebaut werden.

Fußnote

[1] Über den Grad der Eignung bestimmter Techniken unter bestimmten Bedingungen wird an dieser Stelle keine Aussage getroffen. Diese Informationen sind in den Einzeldarstellungen der Techniken enthalten und müssen unbedingt beachtet werden.