1.7.5.2 Wertschätzung im Bundesverwaltungsamt

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Kapitel im OrghandbuchFührungs- und Organisationskultur
Titel des PraxisbeispielsWertschätzung im Bundesverwaltungsamt
Behörde / OrganisationBundesverwaltungsamt, Abteilung Z, Gesundheitsmanagement
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Arbeitshilfen, Dokumente

Toolbox mit folgendem Inhalt:

  • 6 Kernpunkt-Poster Din A 1
  • 1 Regel-Poster
  • 1 Hintergrundinformation zur Kampagne "Wertschätzung"
  • 1 Moderationsempfehlung
  • 6 x Kopiervorlagen "Persönliche Vorbereitung" (1x pro Kernpunkt)
  • 12 Dialog-Karten

1. Hintergrund

Welche Faktoren spielen für den Erhalt der Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten eine wichtige Rolle? Wo liegen Stärken und Schwächen, welche Verbesserungspotenziale können identifiziert werden? Mit diesen Fragen haben sich die Beschäftigten des Bundesverwaltungsamtes auf Initiative des Betrieblichen Gesundheitsmanagements im Mai 2017 im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung auseinandergesetzt. Im Fokus dieser Befragung und der daran anknüpfenden Maßnahmen stand und steht weiterhin, die Behördenkultur gemeinsam mit den BVA-Beschäftigten zu entwickeln. Für die Befragung konnte der wissenschaftlich validierte und in der Bundesverwaltung häufig eingesetzte Fragebogen [1] der Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) genutzt werden.

Besonderer Wert wurde im gesamten Prozess darauf gelegt, die Beschäftigten dafür zu sensibilisieren, dass jeder und jede Einzelne im täglichen Handeln mitverantwortlich für die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen ist. Mit einer klaren Zielsetzung und größtmöglicher Transparenz des Befragungsprozesses konnten Vertrauen und Motivation zur Beteiligung auf allen Hierarchiebenen erzielt werden. Ausdrücklich erwünscht waren dabei auch kritische Stimmen, denn nur durch offenes Ansprechen von Befürchtungen oder Skepsis kann möglichen Widerständen frühzeitig entgegengewirkt werden. Um das klare Ziel einer wertschätzenden Behördenkultur glaubwürdig zu vermitteln, war es von größter Bedeutung, gleich zu Beginn das weitere Vorgehen zu skizzieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten überzeugt sein, dass der Prozess „zu Ende gedacht“ war, d.h. dass aus den Befragungsergebnissen auch tatsächlich Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt würden.

Der Aufwand für die intensive Kommunikation wurde mit einer erfreulich hohen Beteiligung von knapp 60 Prozent und äußerst belastbaren Ergebnissen belohnt.
Bei der Auswertung der Befragungsergebnisse stach die Beantwortung einer Einzelfrage signifikant negativ heraus: Die Beschäftigten fühlten sich überwiegend „nur“ als Arbeitskraft wahrgenommen, sie vermissten ein darüber hinausgehendes Interesse an ihrer Person. Im Vergleich zu den von der Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) publizierten Mittelwerten aus vergleichbaren Befragungen anderer Behörden schnitt das BVA hier schlechter ab.

2. Handlungsfeld „Wertschätzung“

Aufgrund des Bewertungsergebnisses wurde als Handlungsschwerpunkt die Etablierung einer von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Kultur im BVA festgelegt. Für die Initiierung, Korrdination und Organisation aller erforderlichen Aktivitäten war bereits zu Beginn des Prozesses der Steuerungskreis „Gesundheit“ etabliert worden. Er wird von der Behördenleitung geleitet, vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement koordiniert und mitmoderiert. Weitere Mitglieder sind Vertreter der Stäbe, der Personalreferate, des Organisationsreferates, des Arbeitszeitmanagements, des Veränderungsmanagements, Projektverantwortliche mit Schnittstellen zum Gesundheitsmanagement, der Gremien, die Gesamtvertrauensperson schwerbehinderter Menschen, die Gleichstellungsbeauftrage, der Abteilungsleitungen sowie der Beschäftigten.

2.1 Lösungsorientierte Konkretisierung in Workshops

In dem Bewusstsein, dass der Begriff „Wertschätzung“ schwer konkret zu fassen ist und mit ihm ganz unterschiedliche, auch gegensätzliche Vorstellungen verbunden werden, wurde zunächst ein Vorgehen entwickelt, um genau diese Vorstellungen im BVA kennen zu lernen. In insgesamt fünf Workshops an verschiedenen Standorten des BVA wurden Themenfelder zur Konkretsieriung des Wertschätzungsbegriffs erarbeitet. Die Workshops wurden extern moderiert und die Teilnahme war freiwillig.

Beachtenswert war dabei, dass zum Zeitpunkt der Befragung etwa 3700 Beschäftigte dem BVA angehörten. Zum Start der Wertschätzungs-Kampagne gehörten durch Aufgabenverlagerung nunmehr etwa 1500 weitere Kolleginnen und Kollegen des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) zum BVA.

Mithilfe eines lösungsorientierten Vorgehens ist es gelungen, in den Workshops nicht die bestehenden Probleme in den Fokus zu nehmen, sondern auf bereits gut Funktionierendes zu schauen und dieses weiter auszubauen, denn:

„Reden über Probleme lässt die Probleme wachsen, Reden über Lösungen lässt die Lösungen wachsen.[2]

Diese besonders konstruktive Vorgehensweise vermied das zeitraubende „Zerreden von Problemen“ und „Entlasten“ über unveränderliche Strukturen und Vorgaben konsequent. Statt dessen führte es in kurzer Zeit zu Ergebnissen und Lösungen. Die Beteiligten haben sich durchweg wohl gefühlt und motiviert mitgearbeitet. Insgesamt haben sie sechs Kernpunkte (KP) für eine wertschätzende Kultur erarbeitet und näher beschrieben; einen Auszug aus den Ergebnissen enthält Tabelle 1.

Auszug aus den Ergebnissen der Wertschätzungsworkshops:
Was verstehen wir unter...?Ansatzpunkte für den Ausbau von Wertschätzung
Umgang miteinanderrespektvoll, freundlich, ehrlich, loyalVerhaltenskodex, Führungskräfte-Entwicklung, Seminare für alle Beschäftigten
ZusammenarbeitZuverlässigkeit, Transparenz, gegenseitige UnterstützungTeambuilding-Maßnahmen, regelmäßige Besprechungen
FürsorgePrivate Bedürfnisse wahrnehmen und berücksichtigenHinschauen, ernst nehmen, unterstützen und Unterstützung annehmen
Feedback-KulturPositiv mit Fehlern umgehen, Kritik annehmen, konstruktiv lobenOffenheit für Lob und Kritik, Feedback-Gespräche und Wertschätzung aller Tätigkeiten (nicht nur der Leuchttürme)
ArbeitsaufgabeIn Entscheidungsprozesse einbeziehen, selbständig arbeiten, Berücksichtigung individueller KompetenzenStrukturierte Personalentwicklung (Einsatzoptimierung und Weiterbildung)
Arbeitsumgebung / ArbeitsumfeldSozialräume und KantineStandortspezifische Bearbeitung

Tabelle 1: Auszug aus den Ergebnissen der Wertschöpfungsworkshops

2.2 Vorgehen zur Maßnahmenplanung

Im nächsten Schritt wurde eine AG „Wertschätzung“ innerhalb des Steuerungskreises „Gesundheit“ gebildet und damit beauftragt, die Entwicklung konkreter Maßnahmen zur Förderung einer wertschätzenden Kultur voranzutreiben.

Hier gewann schnell die Überzeugung, dass eine wertschätzende Kultur nicht durch „von Oben“ angeordnete Maßnahmen weiterentwickelt werden kann, sondern von möglichst allen Beschäftigten in allen hierarchischen Ebenen diskutiert und erarbeitet werden muss. Dabei sollten die Beschäftigten aller Hierarchieebenen Maßnahmen hauptsächlich im eigenen Arbeitsumfeld diskutieren und erarbeiten, denn dort wird die Kultur alltäglich erlebt und ist durch eigenes Einbringen veränderbar.

Aus diesen Überlegungen entstand der Maßnahmensteckbrief der AG „Wertschätzung“ mit folgenden Inhalten:

  • Breite Auseinandersetzung mit den Kernpunkten der Workshops:

    • Behördenleitung mit Abteilungsleitungen,
    • Abteilungsleitung mit Referatsgruppen – und Referatsleitungen,
    • Referatsleitungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

      Ziele: Nachhaltige Diskussion der für die Beschäftigten wichtigen Themen,
      Entwicklung konkreter Verbesserungsmaßnahmen in jeder Organisationseinheit.

  • Teamentwicklungsmaßnahmen für alle Organisationseinheiten:

    • zur weiteren Bearbeitung der aus der Kernpunkte- Diskussion hervorgegangenen Themen,
    • intensive Arbeit an den für die Organisationseinheiten relevanten Themen,
    • professionelle Unterstützung und Begleitung durch einen Coach.

      Ziele: Kontinuierliche und nachhaltige Verbesserung,
      Stärkung des sozialen Miteinanders und des „WIR-Gefühls“.

Der Steuerungskreis „Gesundheit“ unterstützte das Vorgehen und formulierte folgenden Vorgaben für die Durchführung :

  • Der Zeitaufwand für die Bearbeitung der einzelnen Kernpunkte muss realistisch bleiben.
  • Die AG Wertschätzung entwickelt Unterlagen für die Moderation der Kernpunkte und führt dabei das lösungsorientierte Vorgehen fort.
    Das Betriebliche Gesundheitsmanagement startet eine Informationskampagne.

2.2.1 Schritt für Schritt mit Toolbox-Begleitung

Für die Akzeptanz der Kernpunkte-Diskussionen bei Führungskräften und Beschäftigten war es wichtig, einen angemessenen und in die Arbeit integrierbaren Rahmen zu setzen, der die Wichtigkeit des Prozesses vermittelt, ohne das Gefühl zusätzlicher Belastung entstehen zu lassen.

Aufgrund dieser Überlegungen wurde folgendes Vorgehen vereinbart:

  • Die Beschäftigten erhielten ein vorbereitendes Arbeitsblatt für jeden Kernpunkt.
  • Für jeden Kernpunkt wurde ein Plakat mit lösungsorientierten Fragen an zugänglichem Ort in der Organisationseinheit (z.B. Referat) für mindestens zwei Wochen ausgehängt. Die Beschäftigten trugen Ihre Antworten dort ein (siehe Beispiel in Abb. 1)
  • Das ausgefüllte Plakat diente als Grundlage für die anschließende moderierte Diskussion zu den Kernpunkten und die Erarbeitung von Verbesserungsmaßnahmen für die eigene Organisationseinheit. Hierfür konnten übliche Formate wie Referats-, Abteilungsbesprechungen oder Jours Fixes genutzt werden.
  • Die Umsetzung der erarbeiteten Lösungen wird in angemessenem Abstand im Rahmen einer weiteren Besprechungsrunde evaluiert.

Ergebnisse dürfen freiwillig als Feedback an die AG „Wertschätzung“ gerichtet werden.

Kernpunkt-Poster „Arbeitsumgebung“ Kernpunkt-Poster „Arbeitsumgebung“ (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Abb. 1: Kernpunkt-Poster „Arbeitsumgebung“ (Bundesverwaltungsamt (BVA), Quelle der Grafiken Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und Dennis Lummer)



Zur Erklärung des gesamten Prozesses und insbesondere zur Vorbereitung der Moderation der Kernpunkte-Diskussionen wurden Toolboxen erstellt und jeder Organisationseinheit in erforderlicher Anzahl übersandt.

Inhalt der Toolboxen:

6 Kernpunkt-Poster, [3]

1 Regel-Poster, [4]

Hintergrundinformation, [5]

Moderationsempfehlung,[6]

6 Kopiervorlagen „Persönliche Vorbereitung“ (6 Kernpunkte, zur Einstimmung der Beschäftigten auf die Kernpunkt-Poster),[7]

12 Dialog-Karten (Karten mit Grafiken zur „Befeuerung“ der Diskussion).[8]

Insgesamt wurden weit über 300 Toolboxen zur Verfügung gestellt.

Die Vorteile dieses Vorgehens lagen darin, dass sich alle Beteiligten die Zeit für das Anbringen von Statements auf dem Plakat frei einteilen konnten. Indem die anschließende Diskussion in vorhandene Kommunikationsformrate integriert wurde, musste kein zusätzlicher Termin geplant werden.

Der Plakatinhalt rückte die zum jeweiligen Kernpunkt in den Workshops schon erarbeiteten Verständnisse nochmals in den Fokus und folgte mit den Fragestellungen dem lösungsorientierten Ansatz.

2.3 Herausforderungen im Gesamtprozess

Eine große Herausforderung bestand darin, Führungskräfte und Beschäftigte im Vorfeld umfassend zu informieren und durch begleitende Unterlagen zu unterstützen.

Die Besonderheit des Bundesverwaltungsamtes ist dessen stetige Veränderung. Durch Aufgaben- und Personalverlagerungen aus anderen Bundesbehörden konnten im Zeitraum von sieben Jahren in zwei Schritten (2013 und 2017) mehr als 3300 neue Beschäftigte im BVA begrüßt werden. Viele Kolleginnen und Kollegen haben ihren ehemaligen Behörden zuvor lange Jahre und Jahrzehnte angehört und deren Kultur und Werte verinnerlicht. Zum Start der Wertschätzungs-Kampagne gehörten durch Aufgabenverlagerung nunmehr ca. 1500 weitere Kolleginnen und Kollegen des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) zum BVA. Diese haben an der Mitarbeiterbefragung nicht teilnehmen können, da die Anbindung an das BVA erst später erfolgte. Es stand außer Frage, diese Beschäftigten gleichermaßen in den Nachfolgeprozess einzubeziehen, bieten die Workshops doch die Möglichkeit, durch eine andere Kulturprägung entstandene Perspektiven zu erfahren und einzubeziehen. Die gemeinsame Arbeit an einer wertschätzenden Kultur wird auch als Chance für die Identifikation mit dem neuen Arbeitgeber BVA gesehen.

Die Vision, zusammen aus den unterschiedlichen Kulturen eine gemeinsame, wertschätzende Behördenkultur und damit gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu entwickeln, hat den Prozess letztendlich getragen und trägt ihn weiter. Diese Intention gilt es immer wieder zu kommunizieren.

Der Umgang mit einem „weichen Thema“ wie „Wertschätzung“ stellt erwartungsgemäß an sich eine Herausforderung dar. Dem Phänomen, dass fortan jede unerwünschte Handlungsweise oder Entscheidung als nicht wertschätzend und dem Prozess entgegenstehend betrachtet wird, kann nur mit sachlicher Kommunikation begegnet werden und muss schlichtweg ausgehalten werden.

Einen derart aufwendigen und strukturierten Kommunikationsprozess „über sich selbst“, also das alltägliche Arbeitsleben im BVA, gab es bisher nicht. Haus weit galt es, neue Rollen (Moderation) einzunehmen, neue Vorgehensweisen (lösungsorientierter Ansatz) auszuprobieren und sich mit ungewohnten, nicht fachlichen Kommunikationsinhalten (Kernpunkte „Wertschätzung“ bezogen auf das eigene Arbeitsumfeld) auseinanderzusetzen.

2.4 Erfolgsfaktoren und Stolperfallen

Für den Erfolg des Wertschätzungsprozesses im Bundesverwaltungsamt sind insbesondere folgende Faktoren von Bedeutung:

  • Eine gute und kontinuierliche Kommunikation, die andere Sichtweisen und auch andere Vorgehensweisen zulässt und die Begleitung durch umfangreiche Unterlagen waren der Schlüssel für die Akzeptanz dieses Prozesses. Zusätzlich zu den klassischen Kommunikationsformaten wurden auch neue Wege im OfficeNet des BVA beschritten: Zwei Filme wurden in kurzem Abstand im OfficeNet publiziert. Der erste Film setzte auf ansprechende und spielerische Art Impulse zum Begriff „Wertschätzung“. Kurze Zeit später wurde ein Video angeboten, in dem Vizepräsidentin Silvia Bechtold anhand von drei Fragen erläuterte, was „Wertschätzung“ für sie in unterschiedlichen Kontexten bedeutet.
  • Ohne die ausdrückliche und immer wieder kommunizierte Unterstützung und Rückendeckung der Behördenleitung wäre das geschilderte Vorgehen nicht möglich gewesen. Das Befragungsergebnis wurde von Anfang an ernst genommen und der Wille zur Entwicklung von Maßnahmen wurde im Hause deutlich.
  • Die Struktur des von der Behördenleitung geführten Steuerungskreises „Gesundheit“ bietet eine effektive Austauschplattform, die hierarchieübergreifend das Einbringen unterschiedlicher Perspektiven zur Weiterentwicklung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen ermöglicht, vor allem aber entscheidungsbefugt ist.
  • Auch die höchsten Führungsebenen des BVA sind Teil des Prozesses und „lassen nicht entwickeln“, sondern treffen ebenfalls Vereinbarungen für eine wertschätzende Kultur im eigenen Arbeitsbereich. Dies setzt das unverzichtbare Signal, dass alle an einem Strang ziehen, sorgt für Glaubwürdigkeit und motiviert.
  • Der Ausgangspunkt der Wertschätzungskampagne wird immer wieder in den Blickpunkt gerückt: Der gesamte Prozess basiert auf der in der Mitarbeiterbefragung geäußerten Einschätzung der Beschäftigten. Er ist nicht von „oben“ verordnet.



Für eine Reihe von Stolperfallen und Risiken mussten geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehörten z. B.:


  • Haushaltssperre: Die Initiierung der Workshops zur Konkretisierung des Wertschätzungsbegriffs fiel in die Zeit einer Haushaltssperre. Diese abzuwarten hätte den Prozess erheblich verzögert. Eine zu große Zeitspanne zwischen Befragungsergebnis und dem Start der Maßnahmenentwicklung hätte sich negativ auf die Motivation der Beschäftigten ausgewirkt, sich zu beteiligen. Hier war es von großem Vorteil, dass die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen des Referates „Psychologie und Gesundheitsmanagement“ der Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) gewonnen werden konnten. Das haushaltsunabhängige Engagement der UVB bei der Workshop-Moderation war daher von großer Bedeutung.
  • Verpflichtung oder Freiwilligkeit: Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob die Durchführung des Auseinandersetzungsprozesses für alle verpflichtend sein sollte. Die Überzeugung, dass die Entwicklung einer wertschätzenden Kultur in gemeinsamer Verantwortung liegt, steht im Widerspruch zur „Verordnung“ eines entsprechenden Kommunikationsprozesses von „oben nach unten“. Damit entließe man die Beschäftigten aus der Verantwortung, sich aus eigener Motivation heraus zu beteiligen. Andererseits könnte Freiwilligkeit zu mangelnder Beteiligung und nicht verlässlichen Ergebnissen führen. Als Konsens wurde darauf vertraut, dass die aufwendige Informationskampagne genügend Motivation zur Umsetzung eines auf Freiwilligkeit basierenden Auseinandersetzungsprozesses auf allen Ebenen bewirkt.
  • Evaluation: Ob im gesamten BVA eine wertschätzende Kultur etabliert werden konnte, ließe sich allenfalls anhand einer erneuten Mitarbeiterbefragung evaluieren. Die Evaluation auf der Ebene der Organisationseinheiten ist dagegen einfacher möglich: Ziel der Kernpunkte-Diskussionen war es, Verbesserungsmaßnahmen für die eigenen Arbeitsbereiche zu erarbeiten. Dementsprechend kann dort überprüft werden, ob getroffene Vereinbarungen eingehalten werden und zielführend sind. Auf eine Ergebnisrückmeldung von „unten nach oben“ wird bewusst verzichtet, weil diese für eine vertrauensvolle Kommunikation auch über möglicherweise konfliktbehaftete Themen kontraproduktiv wäre. Über den Arbeitsbereich hinausgehende Anmerkungen und Vorschläge können freiwillig und wenn erwünscht, anonym an die AG Wertschätzung adressiert werden. Ein Feedbackbogen ist im OfficeNet zugänglich. Zusätzlich werden Formate wie Führungskräfteklausuren zur Einholung von Feedback genutzt.
  • Häufige Veränderungen in der Organisationsstruktur des BVA: Die Neuzusammensetzung von Organisationseinheiten während des Kommunikationsprozesses bringt diesen zunächst zum Erliegen. Vereinbarungen, die aufgrund bereits durchgeführter Kernpunkte-Diskussionen getroffen waren, ließen sich nicht auf neue Zusammensetzungen übertragen. Ein erneuter Einstieg in die Kernpunktediskussion ist jedoch auch für neue Strukturen jederzeit möglich.
  • Corona-Pandemie: Das Roll out eines weiteren wichtigen Schrittes musste aufgrund der Corona-Pandemie zurückgestellt werden. Künftig sollen unterschiedliche Begleitangebote wie z.B. Coaching oder Teamentwicklungsmaßnahmen vorgestellt und hausweit angeboten werden.

3. Fazit

Die Rückmeldungen der Beschäftigten zum Einsteigen in einen derartigen Kommunikationsprozess wird positiv gespiegelt. Den Beteiligten ist bewusst, dass Kulturentwicklung Zeit und einen langen Atem braucht. Der Prozess ist von der Überzeugung der Behördenleitung getragen, dass sich die Anstrengungen lohnen.

Fußnoten:

[1] Der verwendete KoGA-Fragebogen der UVB ist nicht mehr erhältlich und wird Ende 2020 durch einen neuen ersetzt (Näheres unter www.uv-bund-bahn.de)
[2] de Shazer, Steve / Berg, Insoo Kim: „Kurzzeittherapie - Von Problemen zu Lösungen"
[3] Bundesverwaltungsamt (BVA), Quelle der Grafiken Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und Dennis Lummer
[4] DGUV, "Kampagne kommmitmensch"
[5] BVA
[6] BVA
[7] BVA
[8] BVA, Quelle Grafik und Text: DGUV