2.3.6 Prozesse analysieren
Artikel Organisationshandbuch
Die Prozessanalyse bezeichnet die systematische Untersuchung von Prozessen, um Schwachstellen und Verbesserungspotentiale zu erkennen. Die Analyse-Ergebnisse sind Grundlage für die Definition des Soll-Prozesses. Dieser optimierte Prozess soll auf effektive und effiziente Weise zu Leistungen oder Produkten führen, die einen Nutzen für die Zielgruppe stiften. Optimierte Prozesse sind außerdem grundsätzlich Voraussetzung für eine fortschreibungsfähige Personalbedarfsermittlung sowie die Umsetzung von IT-Projekten.
Bevor Prozesse hinsichtlich ihres Optimierungspotenzials analysiert werden, muss in der Organisation zunächst ein Konsens darüber bestehen, dass die dem Prozess zugrundeliegende Aufgabe auch tatsächlich wahrgenommen werden muss. Eine zweckkritische Aufgabenbetrachtung kann beispielsweise bei der Einführung von Prozessmanagement erfolgen, während die vollzugskritische Aufgabenbetrachtung idealerweise in der Prozessanalyse erfolgt (vgl. Aufgabenkritik). Die Vollzugskritik untersucht, wer für die Erbringung der jeweiligen (Teil-)Aufgabe grundsätzlich geeignet ist und ob Aufgaben, deren Notwendigkeit im Rahmen der zweckkritischen Betrachtung bestätigt wurde, kostengünstiger, schneller und qualitativ besser wahrgenommen werden können. Diese Frage zielt nicht nur auf die Optimierung von Prozessen, sondern ermittelt auch, wer für die Erbringung der jeweiligen (Teil-)Aufgabe grundsätzlich geeignet ist (z. B. unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten).
Bei der Ermittlung von Optimierungspotenzialen in Prozessen sind u. a. folgende Prüffragen zu den Prozessmerkmalen von Bedeutung:
1. Wer:
- Sind die Zuständigkeiten eindeutig geregelt, ist das AKV-Prinzip (Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung) eingehalten?
- Ist die Prozessverantwortung eindeutig geregelt?
- Sind alle Prozessbeteiligten eindeutig identifiziert?
2. Wo und womit:
- Ist der Ressourcenverbrauch (Personal, Finanzmittel, Sachmittel usw.) unverhältnismäßig hoch?
- Werden Ressourcen verbraucht, ohne zur Erreichung von geplanten Prozessergebnissen beizutragen?
- Können die Prozesskosten (bei gleichem Prozess-Ergebnis) gesenkt werden?
- Verfügen alle Prozessbeteiligten über alle notwendigen Informationen?
- Wird ein gleicher oder ähnlicher Prozess in mehreren Organisationseinheiten wahrgenommen?
3. Wie:
- Sind Schwachstellen zum Prozess bereits bekannt und ggf. dokumentiert (z. B. über das Vorschlagwesen, Ideenmanagement usw.)?
- Können die Bearbeitungs-, Liege- und Transportzeiten reduziert werden?
- Gibt es Medienbrüche?
- Wird der Prozess digital unterstützt oder digital ausgeführt? Wo sind Brüche zwischen IT-Systemen?
- Gibt es redundante Datenerfassung?
- Können interne/ externe Schnittstellen verringert werden? Sind die Tätigkeiten und Zuständigkeiten im jeweiligen Prozessschritt dokumentiert und erforderlich sowie transparent für die Prozessbeteiligten?
- Sind vorhandene Schnittstellen und Übergabepunkte potentielle Fehlerquellen?
- Sind Kommunikations- oder Entscheidungswege eindeutig abgebildet?
- Wird der Prozess häufig durchlaufen (mehrmals täglich, wöchentlich, monatlich)?
4. Wozu und wie gut:
- Entspricht das tatsächliche Prozessoutput (Ergebnis) dem geforderten Produkt?
- Sind die Anforderungen der Zielgruppe an den Prozess und an das Ergebnis bekannt (Kundenorientierung)?
- Entspricht die Qualität der Ergebnisse den Anforderungen oder gibt es hohe Fehlerraten und Kundenbeschwerden?
- Werden hohe Durchlauf-, Bearbeitungs-, Liege-, Transportzeiten vermutet?
- Wurden für den Prozess Kennzahlen für die Erfolgsmessung hinterlegt?
Prüffragen im Zusammenhang mit der Auslagerung von Prozessen (z. B. in Dienstleistungszentren (DLZ)):
- Kann der Prozess oder ein Teilprozess ausgelagert werden?[21]
- Wenn ja: Welche Auswirkungen hat eine Aufgabenübertragung an ein DLZ auf die bisherigen Prozesse und Abläufe und welche Anforderungen ergeben sich an die Neuausrichtung der verbleibenden Prozesse? Dies gewinnt insbesondere im Hinblick auf die zukünftigen Prozessschnittstellen zum DLZ an Bedeutung.
Die Bewertung der Schwachstellen soll systematisch und methodisch anhand der Ziele der Organisationseinheit erfolgen. Wichtig ist dabei, Schwachstellen aufzudecken sowie ihre Ursachen und Wirkungen zu analysieren. So wird vermieden, dass lediglich Symptome beseitigt werden. Eine systematische Analyse der Schwachstellen kann methodisch mit dem Ursache-Wirkungs-Diagramm und dem Mind Mapping unterstützt werden. Darüber hinaus können auch Vergleiche mit ähnlichen Funktionen, Teilprozessen oder Prozessen anderer Bereiche, ggf. auch anderer Behörden (Benchmarking) durchgeführt werden.
Die Schwachstellenanalyse sollte auch eine Risikoanalyse umfassen. Dabei werden zu allen Prozessmerkmalen mögliche Risiken dokumentiert, bewertet und ggf. mit Maßnahmen der Gegensteuerung versehen. Das Ausscheiden mehrerer erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können z. B. im Merkmal "Wer" und "Womit" ein Risiko darstellen. Ausführliche Informationen zur Schwachstellenanalyse enthält der folgende Leitfaden.
verweist auf: Literaturverzeichnis
Bundesverwaltungsamt (Hrsg.): Leitfaden für die Dokumentation und Analyse von Geschäftsprozessen“, Schriftenreihe des Kompetenzzentrums Prozessmanagement, Köln, 2015.
Fußnote
[21] Prüfung der Nutzung beim DLZ