2.4.3.11.4 Zeitaufnahme

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

2.4.3.11.4.1 Einführung / Allgemeines zur Methode

Mit der Erhebungstechnik Zeitaufnahme werden Zeitdaten durch Messen mittels eines Zeitaufnahmegerätes, beispielsweise einer Stoppuhr, und Auswerten der Ist-Zeiten ermittelt. Bei der Erfassung einer Reihe von Prozessabläufen direkt hintereinander, z. B. im Rahmen der Stapelverarbeitung, wird das Gesamtvolumen der gemessenen Zeit durch die zugrundeliegende Fallzahl dividiert, um die reine Grundzeit pro Vorgang zu ermitteln. Zeitaufnahmen erfolgen durch Fremdbeobachtung und meist in Form einer Stichprobe (vgl. Teilerhebung mittels Stichprobe).

Die Zeitaufnahme wird in Form einer externen Beobachtung während der Bearbeitung einer Aufgabe direkt vor Ort am Arbeitsplatz durchgeführt. Sie misst hierbei die aufgewendeten Arbeitszeiten und ggf. Wartezeiten und protokolliert die Erhebungsdaten in einem (elektronischen) Zeitaufnahmebogen.

Zeitaufnahmen dürfen nicht ohne Wissen der zu beobachtenden Person durchgeführt werden. Eine umfassende Information, auch über den Verwendungszweck der zu erhebenden Daten, ist daher vor Beginn einer Untersuchung zwingend erforderlich. Die tariflichen oder betrieblichen Regelungen zur Information der vorgesetzten Führungskräfte bzw. der Personalvertretung über das Ziel und die Vorgehensweise der Zeitaufnahme sind im Vorfeld der Erhebung zu beachten.

Da es sich bei der Zeitaufnahme überwiegend um eine Methode zur Teilerhebung [64] handelt, kommt der Repräsentativität der Zeitaufnahmedaten große Bedeutung zu. Detaillierte Informationen hierzu befinden sich im Kapitel Teilerhebung mittels Stichprobe.

2.4.3.11.4.2 Begriffsdefinitionen

Fortschrittszeitmessung:

"Bei der Fortschrittszeitaufnahme werden die Zeiten zwischen dem Beginn der Zeitmessung und den Endergebnissen der einzelnen Arbeitsablaufabschnitte, die sogenannten Fortschrittszeiten, erfasst."
(Definition gemäß REFA) [65]

Besonders eignet sich diese Form der Zeitmessung, wenn alle Arbeiten, die während der Beobachtung von den Beschäftigten ausgeführt werden, protokolliert und gemessen werden sollen. Vorteil ist, dass man so zügig einen Überblick über die Arbeiten erhält, für die die Beschäftigten ihr Zeitbudget verbrauchen. Nicht selten ist man über den hohen Anteil an (persönlichen) Beauftragungen, Bestellungen und Tätigkeiten der Beschäftigten überrascht, die nicht zur Erfüllung der ihm bzw. ihr übertragenen Aufgabe dienen. Ebenso eignet sich die Fortschrittszeitmessung besonders für Tätigkeitsspektren, bei denen sich Arbeitsablaufabschnitte über den Tag (oder auch mehrere Tage) in unregelmäßiger Folge wiederholen. Dies ist z. B. häufig im Bereich der Sachbearbeitung in Verwaltungen der Fall.

Einzelzeitmessung

"Die Einzelzeit ist die Dauer eines einzelnen Ablaufabschnittes. Bei der Zeitmessung nach dem Einzelzeit-Verfahren wird das Zeitmessgerät am ersten Messpunkt in Gang gesetzt und beim nächsten Messpunkt des Ablaufes wieder gestoppt, so dass jeder Ablaufabschnitt gesondert gemessen wird. Bei diesem Verfahren ist es erforderlich, dass die Lückenlosigkeit der Einzelzeit-Messungen folgender Abschnitte durch dafür geeignete Zeitmessgeräte gewährleistet ist und eine zusätzliche Gesamtzeit-Messung der Aufnahmedauer zur Kontrolle der Summe aller Einzelzeiten erfolgt."
(Definition gemäß REFA) [67]

Anfangs- und Endereignis:

Das Anfangsereignis ist durch einen Auslöser definiert und das Endereignis durch das Prozess-Ende oder den Wechsel in eine andere Organisationseinheit (Schnittstelle, Ende eines Teilprozesses).

2.4.3.11.4.3 Einsatzbereiche und Ziele

Die Zeitaufnahme eignet sich für die Erhebung und auf der Bundesebene insbesondere für die Plausibilisierung von Bearbeitungszeiten (im Sinne von Grundzeiten ohne Verteilzeiten und Erholungszeiten) bei körperlichen oder optisch leicht identifizierbaren Aufgaben und Prozessen.

Die Zeitaufnahme kann auch bei optisch schwer identifizierbaren Aufgaben und Prozessen eingesetzt werden, wenn Anfang und Ende der Aufgabe bzw. des Prozesses / Prozessschrittes klar zu erkennen sind, bzw. der zu Beobachtende oder die zu Beobachtende durch einfache Start- und Stoppsignale den Beginn bzw. den Abschluss der Bearbeitung signalisieren kann.

Es muss bei der Zeitaufnahme nicht der gesamte Prozess oder die gesamte Aufgabe gemessen werden, denn einige Prozesse wie z. B. Gesetzgebungsverfahren laufen über mehrere Jahre. Aufgaben, die zunächst dispositiv-kreativ erscheinen, können auf Teil- oder Unteraufgabenebene durchaus beobachtbar und messbar sein. Gleiches gilt für Tätigkeiten und /oder Teilprozesse:

Dauert beispielsweise ein Gesetzgebungsverfahren vier Jahre bietet es sich an, diesen in Gänze als Prozess darzustellen und anschließend die Tätigkeiten herauszufiltern, die gut mit einer Zeitaufnahme zu erheben sind: Dies können z. B. beobachtbare und messbare Tätigkeiten wie das Lesen eines ersten Referentenentwurfes oder das Verfassen eines Vermerkes sein. Im Gesamtprozess Gesetzgebungsverfahren wird ggf. ein Teil des Prozesses geschätzt (vgl. Analytisches Schätzen), ein Teil des Prozesses per Selbstaufschreibung erhoben und die beobachtbaren und messbaren Tätigkeiten können per Zeitaufnahme gemessen werden (vgl. auch Methodenmix).

Besonders eignet sich die Zeitaufnahme in mengenabhängigen Bereichen mit regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten, bspw.

  • in der Antragsbearbeitung
  • bei Querschnitts-/HOPI-Aufgaben (z. B. Beschaffungen / Bestellungen),
  • in Kundencentern, Telefonzentralen, Poststellen.

Im Rahmen der Plausibilisierung können auch Einzelaufgaben, die eher selten vorkommen, gemessen werden, da der Vertrauensbereich bereits über die ursprüngliche Erhebungsmethode gesichert ist. Wenn der ermittelte Wert der ursprünglich angewandten Methode allerdings durch die Zeitaufnahme nicht reproduziert werden kann, sind weitere Erhebungen mit anderen Methoden erforderlich.

Ziele des Einsatzes der Zeitaufnahme können sein:

Folgende Tabellen stellen Vor- und Nachteile der Fortschritts- und Einzelzeitmessung gegenüber.

Fortschrittszeitmessung
VorteileNachteile
Lückenlose ZeitmessungEinzelzeiten müssen errechnet werden
Ablesefehler wird bei der folgenden Zeitmessung ausgeglichenGroße Konzentration erforderlich
Keine Beeinflussung beim Beurteilen des Leistungsgrads durch Kenntnis der Einzelzeit
Keine Einzelzeit geht verloren

Tabelle 12: Vor- und Nachteile der Fortschrittszeitmessung [68]

Einzelzeitmessung
VorteileNachteile
Keine Errechnung der Einzelzeit notwendigMögliche Beeinflussung des Leistungsgradurteils durch Kenntnis der Dauer der Ablaufabschnitte
Vermeidung von Fehlern bei der Errechnung von EinzelzeitenZusätzliche Gesamtzeitmessung der Zeitaufnahmedauer erforderlich
Streuung der Messwerte infolge von Unregelmäßigkeiten des Arbeitsablaufs sofort erkennbar

Tabelle 13: Vor- und Nachteile der Einzelzeitmessung [69]

2.4.3.11.4.4 Praktische Beispiele

Bundesagentur für Arbeit (BA): Antragsbearbeitung Arbeitslosengeld (bindet viele VZÄ):

Hier werden Erkenntnisse/Ergebnisse aus Workshops des Analytischen Schätzens mit der Zeitaufnahme plausibilisiert, z. B. die 5 % der Prozesse/Aufgaben, die den höchsten Einfluss auf die Errechnung des Personalbedarfs haben. Die Bundesagentur für Arbeit hat gute Erfahrungen damit gemacht. Die Erhebung ist sehr zeitintensiv, aber dennoch aufgrund notwendiger Plausibilisierung und Überprüfung von VZÄ-Mehrbedarfen wirtschaftlich:

Folgende Unterlagen werden durch die Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt:

  • Anlage 16: Begleittext zum Praxisbeispiel Bundesagentur für Arbeit
  • Anlage 17: Anschreiben der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit
  • Anlage 18: Anlage 18: Information und Ankündigung der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit zur Personalbedarfsermittlung im Untersuchungsbereich
  • Anlage 19: Erfassungsbogen für die Zeitaufnahme bei der Bundesagentur für Arbeit

Beispiele weiterer Behörden [70] : Dienstreiseanträge, Reisekostenabrechnung, Bestellungen/Beschaffungen

2.4.3.11.4.5 Vorteile

  • objektiv, da Messung durch Fremdbeobachtung
  • eignet sich sehr gut zur Plausibilisierung: Werte aus analytischem Schätzen und aus der Selbstaufschreibung können sehr gut plausibilisiert werden (Kombination aus Selbst- und Fremderhebung), hierbei konzentriert man sich auf ausgewählte Prozesse / Aufgaben – siehe Praxisbeispiel der BA)
  • kein zusätzlicher Mehraufwand für Beschäftigte in der Erhebung (im Gegensatz zur Selbstaufschreibung oder zum analytischen Schätzen): die Beschäftigten sind im Erhebungsaufwand beispielsweise von zusätzlichen Eintragungen im Rahmen der Selbstaufschreibung bzw. der Teilnahme an Schätzklausuren entlastet, weitere Aufwände wie bspw. Dienstreisen zu Schätzworkshops etc. entfallen.
  • es können ggf. "Störungen" (sachliche Verteilzeiten) in den Abläufen identifiziert werden

2.4.3.11.4.6 Risiken, Stolperfallen

  • Zeitaufnahmen sind in Verwaltungsbereichen häufig dort schwierig, wo Prozesse lang, teilweise verschachtelt, ihr Beginn und Ende schwierig erkennbar sind und Arbeitsweise und Arbeitsinhalte im Team häufig sehr stark voneinander abweichen.
  • Bei vielen Tätigkeiten ist die Zeitaufnahme nur begrenzt einsetzbar, da die ermittelten genauen Zeiten aufgrund möglicher Verhaltensänderungen nur zu scheinbar genauen Grundzeiten und in der Folge mittleren Bearbeitungszeiten führen.
  • Bei vielen Tätigkeiten sind Anfangs- und Endereignis schwer zu beobachten / zu identifizieren.
  • Beschäftigte können sich beobachtet fühlen. Dies kann dazu führen, dass das Arbeitsverhalten vom Normalzustand abweicht oder Beschäftigte die Zeitaufnahme verweigern. (auch bei anderen PBE-Methoden möglich) Die Stoppuhr erzeugt ggf. eine hohe Sensibilität bei den Beschäftigten und den Interessenvertretungen.

2.4.3.11.4.7 Beschreibung des Vorgehens bei der Zeitaufnahme

(anhand des Praxisbeispiels IST-Prozess Krankmeldung eines Beschäftigten in der Behörde)

Zum IST-Prozess „telefonische Krankmeldung bearbeiten“ wurde jede Tätigkeit im Vorfeld als IST-Prozess modelliert und anhand dessen Tätigkeit für Tätigkeit analytisch geschätzt. Einige Tätigkeiten, die gut beobachtbar sind, können durch die Zeitaufnahme plausibilisiert werden. Gemessen wird in diesem Beispiel mit der Stoppuhr des Smartphones.

  • Anfangsereignis: Telefon klingelt in der Zeit von 6:00– 9:00 Uhr (bei Krankmeldung, so auch in der Dienstvereinbarung gefordert): Uhr startet
  • Tätigkeiten, die bei laufender Uhr erledigt werden: Telefonat/Gespräch, handschriftlicher Vermerk, Telefonhörer auflegen, Krankmeldung im IT-System/Fachverfahren vermerken, zusätzlich in weitere Excel-Statistiken eintragen, Krankmeldung an die Führungskraft per Telefon/E-Mail weiterleiten
  • Endereignis: Beschäftigter oder Beschäftigte sagt "Stopp", wenn er oder sie mit dem vorab definierten Abschnitt fertig ist, d. h. alle Tätigkeiten erledigt hat; oder dies ist eindeutig beobachtbar (z. B. Finger von der Tastatur/zurücklehnen im Bürostuhl), dann kann auf das „Stoppsagen“ verzichtet werden.

Um den Prozess der Zeitaufnahme zu verdeutlichen, lässt sich folgender Ablauf skizieren.

1. Vorbereitung

1a. Aufgabe oder Teilprozess abgrenzen

Der Zeitaufnahme geht das Erheben und Gliedern der Aufgaben des Betrachtungsbereichs (Aufgabengliederung) bzw. eine Prozesserhebung zwingend voraus. Für die Zeitaufnahme muss zusätzlich festgelegt werden, welche Aufgaben bzw. Tätigkeiten einzeln und welche zusammen gemessen werden können. Oftmals werden Ablaufschritte einer Aufgabe nicht für jeden Vorgang unmittelbar durchlaufen, sondern für mehrere Vorgänge gesammelt bearbeitet.

Beispiel: Zunächst werden mehrere Krankmeldungen (in der Regel von 6:00 bis 9:00 Uhr am Morgen) im System erfasst, bevor anschließend (ca. von 9:01 bis 9:30 Uhr) alle Krankmeldungen einer Organisationseinheit zusammengeführt und die Leitung der Organisationseinheit per E-Mail über die Krankmeldungen informiert wird.

1b. Erhebungszeitraum und Teilnehmerkreis festlegen

Um die Repräsentativität der erhobenen Daten sicherzustellen, werden die zu untersuchenden Arbeitsplätze nach dem Zufallsprinzip festgelegt, sofern keine Vollerhebung erfolgt. Der repräsentative Erhebungszeitraum wird gemeinsam mit dem Untersuchungsbereich ermittelt: Hierbei sollte beispielsweise festgelegt werden, dass nicht nur vormittags oder nicht nur nachmittags sondern ganztägig zufällig verteilt in konsolidierten Aufgabenbereichen gemessen wird.

1c. Arbeitsablaufbeschreibung anfertigen

In der Regel sind Prozessdarstellungen der zu messenden Aufgabe zur Sicherstellung einer einheitlichen Durchführung an verschiedenen Arbeitsplätzen zu fertigen. Insbesondere das Anfangsereignis (beispielsweise Klingeln des Telefons) und das Endereignis (bspw. Finger weg von der Tastatur / Zurücklehnen des Beschäftigten im Bürostuhl) einer Aufgabe bzw. eines Ablaufabschnittes müssen für den Beobachter bzw. die Beobachterin erkennbar sein.

1d. Messgerät auswählen

Weiterhin ist im Rahmen der Vorbereitung ein geeignetes Messgerät auszuwählen. Folgende Messgeräte sind für die Zeitaufnahme einsetzbar:

  • Stoppuhr (mechanisch oder bspw. digital im Smartphone) oder
  • anderes DV-gestütztes Erfassungsgerät.

Dabei ist eine mögliche Grundsatzentscheidung oder Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Zeitmessgeräten zu berücksichtigen.

1e. Zeitaufnahmebogen erstellen

Die Erstellung des Zeitaufnahmebogens ist davon abhängig, ob eine Einzel- oder Fortschrittszeitaufnahme durchgeführt werden soll. Anfangs- und Endpunkt der Messung müssen genau definiert sein.

1f. konkrete Information der ausgewählten Beschäftigten vornehmen

Die ausgewählten Beschäftigten sind in geeigneter Form (vorzugsweise durch eine Informations-veranstaltung) über:

  • die Methoden Zeitaufnahme (WAS?),
  • die Abgrenzung der Aufgabe bzw. des Prozesses (WAS?),
  • das Ziel und den Zweck (WOZU?),
  • die Dauer der Untersuchung (WANN? Wie lange?),
  • den Ort der Untersuchung (WO?),
  • Art und Weise der Durchführung (WIE?)

etc. zu informieren (vgl. Anlagen 16-19 der Bundesagentur für Arbeit).

2. Durchführung

Jeder (Teil)-Prozess beginnt mit einem Anfangsereignis (bspw. Telefonhörer abnehmen) und endet mit einem Endereignis (bspw. Absenden der E-Mail an die Leitung der Organisationseinheit). Bei der Einzelzeitmessung wird jede Tätigkeit gesondert gemessen. Dabei wird das Zeitmessgerät jedes Mal aktiviert, wenn das Anfangsereignis eintritt. Bei Erreichen des Endereignisses wird gestoppt und die benötigte Bearbeitungszeit abgelesen.

Die "reine" Grundzeit wird ermittelt, indem die Summe der Einzelzeiten, ohne ungeplante Störungen, ohne persönliche Verrichtungen und ohne Erholungszeiten, durch die Anzahl der Messungen dividiert wird (arithmetisches Mittel, vgl. Auswertung).

Bei der Fortschrittszeitmessung wird das Zeitaufnahmegerät mit dem Anfangsereignis gestartet und läuft dann während der gesamten Erhebung. Ist die Bearbeitung der Aufgabe beendet (Endereignis tritt ein, ggf. auch bei einer Vielzahl von Prozessabläufen nacheinander, z. B. Stapelverarbeitung) notiert der Beobachter oder die Beobachterin die Fortschrittszeit.

Mit der Zeitaufnahme mittels digitaler Stoppuhr können zeitgleich Einzelzeit- (Runde) und Fortschrittszeit erhoben werden.

Beispiel Teil 1 (Zeitraum von 6:00-9:00 Uhr morgens): Einzel- und Fortschrittszeitaufnahme im Aufnahmebogen

Tätigkeiten, die bei laufender Uhr von 6:00-9:00 Uhr erledigt werden: Telefonat/Gespräch, handschriftlicher Vermerk, Telefonhörer auflegen, Krankmeldung im IT-System/Fachverfahren vermerken, zusätzlich in weitere Excel-Statistiken eintragen.

Die Messung erfolgt in diesem Beispiel sekundengenau mit Nachkommastelle per Stoppuhr im Smartphone.

Anzahl der Notierungen12345678910
Tätigkeiten (von 6:00-9:00 Uhr)
Anfangsereignis: Telefonhörer abnehmen
Endereignis: Zurücklehnen im Bürostuhl / Finger von der Tastatur
Einzelzeitmessung in Sekunden (mit Nachkommastelle)45,540,535,543,547,537,538,039,042,045,0
Fortschrittszeitmessung in Sekunden (mit Nachkommastelle)45,586,0121,5165,0212,5250,0288,0327,0369,0414,0
(mögliche) Störung bei Tätigkeitsausübung durch den Beschäftigten bzw. die BeschäftigteKollege kommt rein
(mögliche) Störung bei Messung durch den Beobachter bzw. die BeobachterinZu spät ange-fangen zu stop-pen

Tabelle 14: Beispieldaten Einzel–/Fortschrittszeitaufnahme, Beispiel Teil 1

Beispiel Teil 2 (Zeitraum von 9:01 bis ca. 9:30 Uhr): Einzel- und Fortschrittszeitaufnahme im Aufnahmebogen

Tätigkeiten, die bei laufender Uhr von 9:01 Uhr bis ca. 9:30 Uhr erledigt werden: Krankmeldungen OE 1 bis OE 10 zusammenführen, Krankmeldungen je OE per Info-Mail versenden (je OE wird einmal notiert)

Die Messung erfolgt in diesem Beispiel sekundengenau ohne Nachkommastelle per analoger Stoppuhr oder Armbanduhr.

Anzahl der Notierungen12345678910
Tätigkeiten (nach 9:00 Uhr): Anfangsereignis: System für betreffende OE öffnen (der Beschäftigte bzw. die Beschäftigte nimmt Hände an die Tastatur), Endereignis: Statistik für betreffende OE schließen (der Beschäftigte bzw. die Beschäftigte lehnt sich in den Bürostuhl zurück oder druckt die Statistik aus = Geräusch: Drucker springt an)
Einzelzeitmessung in Sekunden121123125118117120132240137134
Fortschrittszeitmessung in Sekunden121244369487604724856109612331367
(mögliche) Störung bei Tätigkeitsausübung durch den Beschäftigten bzw. die BeschäftigteAnruf außer-
halb
der
Fach-
aufgabe
(mögliche) Störung bei Messung durch den Beobachter bzw. die Beobachterin

Tabelle 15: Beispieldaten Einzel–/Fortschrittszeitaufnahme, Beispiel Teil 2

Die Erhebung der Gesamtzeit der Einzelzeitmessungen innerhalb der Zeitaufnahme muss lückenlos durch dafür geeignete Zeitmessgeräte gewährleistet werden.

vgl. auch Anlage 20: Mögliche Störungen bei der Zeitaufnahme und Praxistipps zum Umgang mit Störungen


3. Auswertung

Vor Beginn der Auswertung soll die Datengüte der erhobenen Messwerte bezüglich ihrer Aussagefähigkeit überprüft werden. Eine Zwischenauswertung ist sinnvoll, um beispielsweise die ausreichende Größe der Stichprobe unter Beachtung der Streuung der Werte zu bestimmen und die Anzahl der verwertbaren Notierungen festzustellen.

Zur Anzahl der erforderlichen Messungen siehe Teilerhebung mittels Stichprobe. [71]

3a. Vertrauensbereich und Genauigkeit

Je mehr Werte gemessen werden, desto genauer wird das Ergebnis: Mindestens 30 Messungen sollten durchgeführt werden.

Aber: Wenn bestimmte Prozesse nur fünfmal im Monat auftreten, dann reichen auch die fünf gemessenen Werte für die Plausibilisierung (Vollerhebung), sofern sich keine erheblichen Abweichungen ergeben.

Wurden ausreichend viele Messungen vorgenommen, wird die Grundzeit für die Aufgaben berechnet. Bei der Einzelzeitmessung wird zu diesem Zweck die Summe der Einzelzeiten pro Tätigkeit bzw. Teilprozess durch die Anzahl der Messungen geteilt. Bei dem Einsatz des Einzelzeitverfahrens sollte zusätzlich noch einmal eine Messung des Gesamtprozesses erfolgen, da es bei der Zergliederung in einzelne Tätigkeiten und deren Addition zu Abweichungen kommen kann. Bei der Fortschrittszeitmessung wird der letzte notierte Wert, der die Summe aller einzelnen Messwerte darstellt, durch die Anzahl der Messungen geteilt, sofern während der Zeitaufnahme keine Störungen (sachlichen Verteilzeiten) aufgetreten sind.

Auch die Auswertung der Zeitaufnahme ist abhängig vom Untersuchungsziel:

  • Möglichkeit 1: Messungen, die Störungen enthalten, werden in der Auswertung nicht berücksichtigt. Somit erhält man die reine Grundzeit und kann dann den Verteilzeitzuschlag hinzurechnen.
  • Möglichkeit 2: Es gibt viele Unterbrechungen/Störungen des eigentlichen Arbeitsablaufes. Dann kann der Nachweis dieser Situation hier mittels der Zeitaufnahme geführt werden. Ggf. sind dann aber persönliche Verrichtungen dort nicht enthalten, daher wäre der Verteilzeitzuschlag dann anzupassen, d. h. der Störungsanteil rauszurechnen, das Missverhältnis zwischen dem eigentlichem Arbeitsablauf und Störungen wäre zu analysieren, zu dokumentieren und zu bewerten.

Anschließend ist zu dokumentieren, wie die Grundzeit ermittelt wurde (vgl. auch Abschnitt zur Dokumentation und Fortschreibung).

3b. Praxistipps zum Umgang mit Störungen in der Auswertung:

  • Möglichkeit 1: In die Auswertung fließen auch Messergebnisse einschließlich Störungen ein, um die sachlichen Verteilzeiten zu ermitteln und gemäß dem IST-Wert realistisch aufschlagen zu können. Allerdings ist trotzdem die Bearbeitungszeit von der sachlichen Verteilzeit abzugrenzen, um den Verteilzeitzuschlag einschließlich persönlichen Verteilzeiten ermitteln zu können.
  • Möglichkeit 2: In die Auswertung fließen nur Messergebnisse ohne Störung ein. Darum empfiehlt es sich mehr als die Mindestanzahl an Beobachtungen durchführen (z. B. 40 Beobachtungen, davon 30 Beobachtungen ohne Störung), dann kann der angemessene Verteilzeitzuschlag berücksichtigt werden.

Beispiel: Berechnung des arithmetischen Mittels bei Einzel- und Fortschrittszeitaufnahme

Im nachstehenden Beispiel zur Berechnung des arithmetischen Mittels bei einer Einzel- und Fortschrittszeitaufnahme wurden nur 10 Messwerte zugrunde gelegt. Diese geringe Anzahl wurde aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung gewählt.

Quelle: eigene Darstellung

Tabelle 16: Beispieldaten Einzel–/Fortschrittszeitaufnahme, Berechnung des arithmetischen Mittels

3c. Gegenüberstellung der erhobenen Werte aus Zeitaufnahme und aus anderen Methoden

Sind Ergebnisse einer Vorerhebung aus Selbstaufschreibung / Analytischem Schätzen vorhanden und weichen diese von Zeitaufnahmeergebnissen (erheblich) ab, sollte in einem Workshop mit den Beschäftigten nach den Ursachen geforscht werden. Sollten die Workshops keinen nachvollziehbaren Grund für die Abweichung liefen, sollten die Zeitaufnahmewerte als verbindliche Werte festgelegt werden, da sie aus der Fremdbeobachtung stammen und damit objektiv erhoben wurden. (vgl. Abschnitt zur Plausibilisierung).

2.4.3.11.4.8 FAQ

Muss der Detaillierungsgrad der Prozesse identisch sein bei Schätzung und Plausibilisierung durch Zeitaufnahme?

  • Besser ist es, den gleichen Detaillierungsgrad zu wählen, um die Vergleichbarkeit problemlos zu gewährleisten.
  • Ggf. kann auch geclustert werden, um Werte der Eigenerhebung dann ebenfalls geclustert mit der Zeitaufnahme zu plausibilisieren.

Kann ich mit der Zeitaufnahme explizit Verteilzeiten ermitteln?

  • Unplanbare sachliche Verteilzeiten (unplanbare Störungen) lassen sich gut mit der Zeitaufnahme erheben, sofern sie häufig auftreten.
    Beispiel: Die Beschäftigten fühlen sich durch diverse Unterbrechungen in ihrer Arbeit häufig gestört. Es könnte gemessen werden, wie lange welche Störungen andauern und bspw. in Kombination mit der Multimomentaufnahme wie häufig.
  • Von der Ermittlung persönlicher Verteilzeiten (persönliche Verrichtungen des Beschäftigten wie Pausenzeiten außerhalb der gesetzlichen Pause, WC-Gänge, persönliche Gespräche mit Kollegen etc.) mittels Zeitaufnahme wird abgeraten. Es sollte also nicht das Untersuchungsziel sein, die persönlichen Verteilzeiten zu ermitteln. Selbstverständlich können aber während des eigentlichen Arbeitsablaufs persönliche Verteilzeiten entstehen, die dann aus der Berechnung der Grundzeit herausgerechnet werden müssen.

2.4.3.11.4.9 Hinweise und Tipps aus der Praxis

  • Neben der (allgemeinen) Informationsveranstaltung zur Organisationsuntersuchung und dem Informationsschreiben ist es sinnvoll, im Vorfeld einer Zeitaufnahme im persönlichen Gespräch oder in einer Informationsveranstaltung vor Ort mit den betroffenen Beschäftigten und den entsprechenden Führungskräften noch einmal die Rahmenbedingungen der Zeitaufnahme durchzusprechen. So lassen sich Ängste reduzieren oder sogar ausräumen.
  • Das Zeitaufnahme-Team sollte auch vorab diejenigen, die beobachtet werden, besuchen und erklären, was die Zeitaufnahme bezweckt, was das Zeitaufnahme-Team tut …
  • Vertrauensbildende Maßnahmen: vorab Vertrauen bei den Beschäftigten zu erlangen und Ängste zu nehmen, ist immens wichtig. Vor der Zeitaufnahme sollte deutlich gemacht werden, dass die Beschäftigten keiner Leistungsprüfung unterliegen und der Zeitaufnahme ein übliches Arbeitstempo zugrunde liegen soll. Dies sollte auch während der Zeitaufnahme wiederholt angesprochen werden, wenn sich der Eindruck ergibt, dass zu Beobachtende sehr angespannt wirken und besonders schnell zu arbeiten scheinen. Einige Beobachtete arbeiten besonders schnell, um sich als Leistungsträger zu zeigen und andere besonders langsam, damit das Ergebnis der PBE nicht negativ für sie ausfällt.
  • Eine Probeerhebung des zu erhebenden Arbeitsablaufs kann die Akzeptanz ebenfalls fördern. So können Anfangs- und Endereignisse nochmals überprüft werden. Außerdem können sich die Beschäftigten mit dem Ablauf der späteren Zeitaufnahme und der Tatsache, dass sie während der Bearbeitung beobachtet werden, vertraut machen.
  • Die Position des Beobachters bzw. der Beobachterin muss so gewählt werden, dass der Arbeitsablauf gut überblickt werden kann bzw. eine Zuordnung der markanten Geräusche möglich ist (z. B. Beginn des Druckauftrags), eine Beeinträchtigung oder Behinderung des zu Beobachtenden jedoch vermieden wird. Die Position der Beobachterin bzw. des Beobachters sollte möglichst angenehm für den Beobachteten gewählt werden (seitlich sitzend, ein wenig außerhalb des Blickfeldes des Beobachteten, aber auch nicht im Rücken etc.).
  • Wie bei allen PBE-Methoden ist es wichtig, alles gut zu dokumentieren: Warum wurde die Methode für welchen Aufgabenbereich ausgewählt? Wie wurde sie durchgeführt? Mit welchen Ergebnissen? Wurde plausibilisiert, wenn ja, wie? etc.

2.4.3.11.4.10 Unterstützung durch DV und / oder IT

Für die Erhebung und Auswertung von Zeitwerten mittels Zeitaufnahme existieren verschiedene Hilfsmittel. Diese reichen von einfachen Stoppuhren, digitalen Stoppuhren in Smartphones, über digitale Aufnahmegeräte mit Schnittstellen zur Übertragung der erhobenen Daten bis hin zu komplexer Software zur parallelen Aufnahme und Auswertung per Notebook. Die Auswahl des Erhebungswerkzeugs sollte sich nach der Häufigkeit der Anwendung der Erhebungstechnik richten (Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns). Im Rahmen von Organisationsuntersuchungen in der öffentlichen Verwaltung sind in der Regel die Aufnahme der Zeit mittels Stoppuhr und die Auswertung über ein Tabellenkalkulationsprogramm ausreichend.

Fußnoten

[64] Bei einer Teilerhebung wird nur eine Teilmenge des jährlichen Arbeitsvolumens betrachtet oder ein Teil der Beschäftigten eines Untersuchungsbereichs in die Erhebung einbezogen (vgl. Kapitel Teilerhebung mittels Stichprobe).
[65] Vgl. REFA-Lehrunterlage zur Zeitaufnahme, Seite 3 (2014)
[66] Vgl. REFA-Lehrunterlage zur Zeitaufnahme, Seite 3 (2014)
[67] Vgl. REFA-Lehrunterlage zur Zeitaufnahme, Seite 4 (2014)
[68] in Anlehnung an die REFA-Lehrunterlage zur Zeitaufnahme, Stand 2014, Seite 4
[69] in Anlehnung an die REFA-Lehrunterlage zur Zeitaufnahme, Stand 2014, Seite 4
[70] Praxisbeispiele und Arbeitshilfen von verschiedenen Behörden sind angefragt und werden zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt.
[71] Aus dem zentralen Grenzwertsatz lässt sich als Faustregel ableiten, dass eine Stichprobe von mehr als 30 stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen schon annähernd mit der Normalverteilung bestimmt werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Stichprobe im Rahmen einer PBE immer größer als 30 sein muss (n>30). Unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Genauigkeit und die Sicherheit einer Stichprobe ergeben sich daraus wichtige Schlussfolgerungen für die Mindestgröße einer Grundgesamtheit.