2.4.3.5.2 Was bindet unsere Vollzeitäquivalente (VZÄ)?

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Die zur Verfügung stehenden bzw. gestellten Vollzeitäquivalente dienen der Erledigung von dauerhaften Aufgaben bzw. Aktivitäten innerhalb von definierten Prozessen. Hinzu kommen Beauftragungen/Bestellungen, die befristet oder dauerhaft (z. B. auch von der Behördenleitung) direkt (aufbauorganisatorisch) oder indirekt (ablauforganisatorisch) übertragen werden. Darüber hinaus fallen Projektaufgaben (befristet und personenabhängig) sowie Führungs- und Leitungsaufgaben an.

Daneben fallen weitere Zeiten an, die nicht unmittelbar der originären Aufgabenerledigung zuzuordnen sind, aber dennoch in die bezahlte Arbeitszeit fallen, wie beispielsweise Erholungszeiten, ungeplante Störungen und persönliche Verrichtungen, Fortbildungszeiten, Zeiten für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), Mitarbeitergespräche und Zeiten für die Teilnahme an Personalversammlung.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 14: Was bindet unsere Vollzeitäquivalente (VZÄ)?

2.4.3.5.2.1 Dauerhafte Aufgaben bzw. Prozesse

Für die PBE kann eine aufgaben- bzw. arbeitsplatzbezogen oder eine prozessbezogene Herangehensweise gewählt werden. Es ist also zu klären, ob Aufgaben in einer Aufgabengliederung dargestellt werden sollen oder Prozesse in einer Ablaufdarstellung. Ggf. können sich beide Betrachtungen auch ergänzen, indem die Aufgaben prozessorientiert gegliedert werden. Dieser und weitere Aspekte werden im nächsten Abschnitt Aufgaben oder Prozesse und in der Methodenbeschreibung zur prozessbezogenen Selbstaufschreibung ausführlich erläutert.

Unabhängig davon, ob eine prozess- oder aufgabenorientierte Betrachtungsweise gewählt wird, ist die Definition von Aufgabenarten ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der entsprechenden Methode. Grundsätzlich werden Dauerstellen nur für Aufgaben eingerichtet, die auch dauerhaft wahrzunehmen sind. Dazu zählen insbesondere Fachaufgaben, Querschnittsaufgaben, Führungs- und Leitungsaufgaben, nicht aber Projektaufgaben.

Unterschieden wird bei den Daueraufgaben bezogen auf den Einsatz der Methoden im Rahmen der PBE grundsätzlich in

  • neue Aufgaben
  • quantifizierbare (messbare) Aufgaben
  • dispositiv-kreative Aufgaben

In den folgenden Abschnitten werden diese Aufgaben vorgestellt und voneinander abgegrenzt.

2.4.3.5.2.1.1 Neue Aufgaben

Als neu können Aufgaben angesehen werden, wenn sie erstmals anfallen. Um neue Aufgaben handelt es sich nicht, wenn die Aufgaben bereits in der Vergangenheit zum Beispiel in einer anderen Organisationseinheit oder einer anderen Behörde in vergleichbarer Art und Weise wahrgenommen worden sind.

Auch bei neuen Aufgaben ist eine Personalbedarfsermittlung unter Berücksichtigung bestimmter Anforderungen (die Aufgabe ist beschreibbar, eingrenzbar, vergleichbar…) durchführbar. Dies zeigt auch die gängige Praxis, wenn es darum geht, den künftigen Personalbedarf für neue Aufgaben anzugeben: Unabhängig davon, ob die neue Aufgabe als Linienaufgabe oder als Projekt eingerichtet werden soll, wird sie in der Regel mit detaillierten Stellenforderungen belegt.

Ggf. sind einzelne Tätigkeitsschritte innerhalb einer neuen Aufgabe mit bereits bemessenen Tätigkeiten vergleichbar: Tätigkeiten wie Unterlagen sichten und auf Vollständigkeit prüfen, können auch in Prozessen enthalten sein, die zu neuen Aufgaben gehören. Hierfür besteht die Möglichkeit des "vergleichenden Schätzens". Andere Tätigkeitsschritte innerhalb der neuen Aufgabe sind komplett neu. Der analytische Ansatz der Personalbemessung stößt hier an seine Grenzen, wenn objektive, berechenbare Werte zu Arbeitsmengen und zum Bearbeitungsaufwand (noch) nicht bekannt sind. Die Erhebungstechniken für quantifizierbare Aufgaben können für die Personalbedarfsermittlung bei neuen Aufgaben nicht eingesetzt werden. Stattdessen werden überschlägig geschätzte Prognosen oder Arbeitsplatzsetzungen vorgenommen. Diese bedürfen aufgrund ihrer, gemessen an den analytischen Datenerhebungen, geringeren Datengüte und Qualität in jedem Fall einer besonders detaillierten und nachvollziehbaren Begründung und Dokumentation.

Bei neuen Aufgaben ist nach einer angemessenen Konsolidierungsphase eine Nacherhebung durchzuführen, auf deren Basis der tatsachliche Personalbedarf ermittelt wird.

2.4.3.5.2.1.2 Quantifizierbare Aufgaben

Quantifizierbare Aufgaben sind wiederholt anfallende Aufgaben, die sich auch in der Zukunft mit ähnlichen oder gleichen Bearbeitungsschritten und ähnlichen Bearbeitungszeiten bearbeiten lassen.

Quantifizierbare Aufgaben lassen sich hinsichtlich der Bearbeitungszeiten und Mengen objektiv und exakt messen. Erkenntnisse der Vergangenheit können für die Bemessung des Personalbedarfs in der Zukunft genutzt werden.

Bei der Ermittlung der Bearbeitungszeiten für diese Aufgaben können entweder alle Arbeitsplätze einbezogen und Bearbeitungszeiten sowie Mengen unmittelbar dort erhoben werden (bei nicht gleich strukturierten Arbeitsbereichen). Oder es werden Bearbeitungszeiten als Stichprobe an ausgewählten Arbeitsplätzen erhoben und als zentrale Vorgabe für alle Arbeitsplätze des Bereichs als Bemessungsgrundlage verwendet (bei gleich strukturierten Arbeitsbereichen). Der Einsatz zentraler Vorgaben trägt zur Reduzierung des Erhebungsaufwands bei.

2.4.3.5.2.1.3 Dispositiv-kreative Aufgaben

Dispositiv-kreative Aufgaben sind überwiegend in geistig-schöpferischen und planenden Bereichen zu finden. Es handelt sich häufig um konzeptionelle oder gestalterische Aufgaben, die für sich genommen (inhaltlich) einmalig, also nicht wiederkehrend sind. Die Aufgaben zeichnen sich durch inhaltliche Komplexität, Vielfältigkeit und eine geringe Standardisierbarkeit der mit der Aufgabenerledigung zusammenhängenden Prozesse und Arbeitsabläufe aus.

Hieraus folgt, dass eine Personalbedarfsermittlung mittels analytischen Methoden nicht oder nur erschwert möglich ist, weil objektive, berechenbare Werte zu Arbeitsmengen und zum Bearbeitungsaufwand nicht bekannt oder feststellbar sind. Jedoch ist auch bei dispositiv-kreativen Aufgaben eine Personalbedarfsermittlung z. B. des hier im Folgenden beschriebenen Vorgehens einer Ressourcensteuerung möglich.

Typische dispositiv-kreative Tätigkeiten sind, soweit sie nicht standardisiert bzw. standardisierbar sind

  • konzeptionelle, politisch-strategische Arbeiten der obersten Leitungsebenen,
  • Projektaufgaben[17] , sowie
  • forschende und wissenschaftliche Tätigkeiten, konzeptionelle und strategische Arbeiten.

Bei bestehenden (gemischten) Aufgabenbündeln sind die dispositiv-kreativen Aufgaben von den quantifizierbaren Aufgaben zu trennen.[18] So sind z. B. auch bei forschenden Tätigkeiten sich wiederholende Aufgaben (z. B. standardisierte Laboruntersuchung, wiederkehrende Prüfungen) mit systematisch-analytischen Verfahren bewertbar.

Als Indizien, ob es sich um eine "echte" dispositiv-kreative Aufgabe handelt, können folgende Merkmale gelten:

  • Das Arbeitsergebnis ist von Beginn an z. B. noch nicht konkret beschreibbar bzw. unklar.
  • Das Arbeitsergebnis hängt von der Person ab.
  • Der Prozess der Leistungserstellung ist nicht standardisierbar.
  • Innerhalb der Leistungserstellung bestehen Unwägbarkeiten, die im Vorhinein nicht kalkulierbar sind und sich auf Ablauf oder Ergebnis auswirken.
  • Die Arbeitserledigung hinsichtlich des Vorgehensprozesses oder des Ergebnisses wiederholt sich nicht.
  • Die Ergebniserstellung erfolgt iterativ, d. h. in mehreren Entwicklungs- bzw. Überarbeitungsschleifen, ohne dass die Anzahl von Beginn an bekannt ist.

Der Methodenmix zur Erhebung des Personalbedarfs für dispositiv-kreative Aufgaben ist im Detail im Methodenteil beschrieben.

2.4.3.5.2.1.4 Gegenüberstellung der Aufgabenarten

Zusammenfassend werden die Merkmale der verschiedenen Aufgabenarten gegenübergestellt. Neue Aufgaben können entweder dispositiv-kreativ oder quantifizierbar sein:

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 15: Gegenüberstellung der Aufgabenarten

2.4.3.5.2.2 Beauftragungen/Bestellungen und Interessenvertretungen

Beauftragungen/Bestellungen sind Aufgaben, die dauerhaft (z. B. auch von der Behördenleitung) direkt (aufbauorganisatorisch) oder indirekt (ablauforganisatorisch) übertragen werden.

Entscheidend für die PBE ist, ob die Beauftragung/Bestellung:

  • mit einer vollständigen Freistellung von den bisherigen Aufgaben erfolgt oder
  • mit einer teilweisen Freistellung von den bisherigen Aufgaben erfolgt oder
  • ohne Freistellung von den bisherigen Aufgaben erfolgt und somit zusätzlich wahrzunehmen ist.

Es wird empfohlen, mit der Übertragung entsprechender Tätigkeiten auch den hierfür vorgesehenen Freistellungsanteil an der Gesamtarbeitszeit bzw. das Freistellungsvolumen festzulegen.

Sind Beschäftigte des Betrachtungsbereichs zusätzlich zu ihren (Fach-)Aufgaben mit besonderen Funktionen (z. B. Geheimschutzbeauftragte, IT-Sicherheitsbeauftragte, Mitglieder der Personalvertretung, Gleichstellungsbeauftragte, Brandschutzbeauftragte, Beauftragte für …) betraut, werden diese als eigenständige Aufgabe erhoben. Soweit ein Freistellungsanspruch für die Erledigung der Aufgaben in der besonderen Funktion besteht, werden für die PBE Zeiten in Höhe des Freistellungsanspruchs berücksichtigt. Besteht kein Freistellungsanspruch, werden die anfallenden Zeiten erhoben und im Rahmen der PBE berücksichtigt.[19] In welchem Umfang der Aufwand bei der PBE berücksichtigt werden kann, der über die nach diesen Normen beanspruchbaren Freistellungen hinaus für die besondere Funktion geleistet wird, ist über die Auslegung der Normen gemeinsam mit dem Auftraggeber situativ festzulegen. Die Zeiten für die Aufgabenwahrnehmung für (persönliche) Beauftragungen/Bestellungen müssen in der PBE Berücksichtigung finden.

Zu unterscheiden ist hierbei, ob die Beauftragung/Bestellung direkt einer bestimmten Organisationseinheit (aufbauorganisatorisch) oder aus ablauforganisatorischen Gründen indirekt einer bestimmten Person (Summe der gesetzlichen Freistellungsansprüche einer Behörde) zugeordnet wurde.

Beispiel für eine Summe der Freistellungsansprüche für die Wahrnehmung der Aufgaben von Interessenvertretungen:

Summe der Freistellungsansprüche: 5,0 VZÄ

Davon:

  • für zwei vollständig freigestellte Personalratsmitglieder (2x 1,0 VZÄ),
  • für zwei teilweise freigestellte Personalratsmitglieder (2x 0,5 VZÄ),
  • für eine vollständig freigestellte Gleichstellungsbeauftragte (1x 1,0 VZÄ),
  • für eine vollständig freigestellte Schwerbehindertenvertretung (1x 1,0 VZÄ)

Herausforderung: diese VZÄ sind nicht von der Stellenwertigkeit abhängig und nicht einer bestimmten Laufbahngruppe zuordenbar. Aufgaben der freigestellten Interessenvertretungen sind nicht zu bemessen.

Beispiel für Beauftragungen / Bestellungen, die einer bestimmten Organisationseinheit (aufbauorganisatorisch) zugeordnet sind:

  • IT-Sicherheitsbeauftragte bzw. IT-Sicherheitsbeauftragter
  • Datenschutzbeauftragte bzw. Datenschutzbeauftragter
  • Brandschutzbeauftragte bzw. Brandschutzbeauftragter
  • Notfallmanagement
  • IT-Notfallmanagement
  • Geheimschutzbeauftragte bzw. Geheimschutzbeauftragter
  • Beauftragte bzw. Beauftragter für den Haushalt
  • Beauftragte bzw. Beauftragter für Korruptionsprävention

Diese "Beauftragten" sind aufgrund gesetzlicher Vorgaben in den Behörden eingesetzt. Häufig wird je Beauftragung eine VZÄ gesetzt (siehe auch Arbeitsplatzsetzung). Oft wird aber auch neben der Aufgabe der Leitung des Haushaltsreferats die Rolle des bzw. der Beauftragten für den Haushalt (BfdH) übertragen. Brandschutzbeauftragte werden in der Regel je Standort bzw. Bürogebäude eingesetzt und umfassen in der Regel ebenfalls keine vollständige VZÄ. Ob Beauftragungen in Personalunion wahrgenommen werden können, um den Arbeitsplatz vollständig auszulasten (z. B. Notfallmanagement und IT-Notfallmanagement), ist im Einzelfall zu entscheiden.

Wie viele VZÄ ein Team bspw. um die Datenschutzbeauftragten oder IT-Sicherheitsbeauftragten als Unterstützungspersonal benötigt, ist gesondert zu ermitteln.

2.4.3.5.2.3 Projektaufgaben

Die Durchführung von Aufgaben im Rahmen von Projekten ist auch in der öffentlichen Verwaltung eine mittlerweile etablierte und ständig eingesetzte Arbeitsform. Neue Themen werden mit wechselnden Beteiligten unterschiedlicher Fachbereiche in Projekten aufgegriffen. Projekte sind nie gleich. Die Komplexität der zu behandelnden Themenstellung, die Anzahl der beteiligten Bereiche und die zeitliche Dauer werden für jedes Projekt neu bestimmt. Projekte können innerhalb oder außerhalb der Linienorganisation eingerichtet werden. Aktuelles Beispiel für ein behördenweites Projekt, für das in der Regel Beschäftigte und damit Kompetenzen aus verschiedenen Abteilungen der Behörde zusammengezogen werden, ist die Einführung der E-Akte Bund. Beispiele für Projekte, die innerhalb der Organisationseinheit verbleiben, sind bspw. die Einrichtung einer Projektgruppe für die Erstellung eines Einarbeitungskonzeptes oder eines Konzeptes für den Wissenstransfer, für die Einführung eines Fachverfahrens oder ähnliches (vgl. Projektmanagement).

Sofern Projektbeteiligte für die Dauer der Projektarbeit von ihren sonstigen Aufgaben freigestellt sind, nehmen andere Beschäftigte die vorherigen Aufgaben wahr. Projektgruppen gehören zwar mittlerweile fest in das Behördenbild, sind oftmals auch im Organigramm abgebildet, stellen jedoch aufgrund ihres befristeten Charakters keine Daueraufgabe dar. Diese Situation ist bei der Ermittlung und Festlegung von Personalbedarf für Projektarbeit zu beachten.

2.4.3.5.2.4 Führungs- und Leitungsaufgaben

Führungs- und Leitungsaufgaben sind den Steuerungsprozessen einer Behörde bzw. einer Organisationseinheit zuzuordnen. Unter dem Begriff "Führen und Leiten" werden alle Steuerungsaufgaben einer Führungskraft zusammengefasst.

2.4.3.5.2.4.1 Definition und Einführung

Wesentliche Größe für die Bemessung des Personalbedarfs bei Führungskräften ist die sogenannte Führungs- und Leitungsspanne. Die Führungs- und Leitungsspanne bezeichnet die Anzahl der einer Führungskraft direkt zugeordneten und unterstellten Beschäftigten. Die Führungs- bzw. Leitungsspanne ist weder eine beliebige, noch eine standardisierbare Zahl, die für Behörden einheitlich festgelegt werden könnte. Sie kann von Behörde zu Behörde, aber auch von Organisationseinheit zu Organisationseinheit variieren, da die Anforderungen an Behörden und deren Organisationseinheiten unterschiedlich sind. Insofern hat die Berücksichtigung von Führungs- und Leitungsaufgaben [20] bei der Ermittlung erforderlicher und bereitzustellender Personalressourcen (in VZÄ, aber auch in Personen) besondere Relevanz.

Die in der Literatur und seitens der Rechnungshöfe entwickelten Grundsätze können einen groben Anhaltspunkt für die Bestimmung der Leitungsspanne bieten. Sie sollten bei der Durchführung von Personalbedarfsermittlungen in angemessenem Umfang einfließen.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 16: direkt unterstellte Beschäftigte und indirekt unterstellte Beschäftigte

Zu groß oder zu klein gewählte Führungs- und Leitungsspannen können negative Auswirkungen auf einzelne Organisationseinheiten, auf die gesamte Organisation und auf die Beschäftigten haben. Eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der sachgerechten Führungs- und Leitungsspanne spielt deshalb auch die Führungs- und Organisationskultur in der Behörde (vgl. auch Kapitel Führungs- und Organisationskultur). D. h., es gilt, in der Analyse und für die SOLL-Führungs- und Leitungsspanne die Frage zu beantworten:

  • Welche Leitungsspanne entspricht am ehesten den Anforderungen der Führungs- und Organisationskultur der Behörde?
  • In welchen Bereichen sind eher kleine Leitungsspannen und in welchen eher große Leitungsspannen angebracht?

Die Führungs- und Leitungsspanne ist demzufolge nicht allein eine quantitative Frage. Die Behörden- und Führungskultur, die in Führungsleitbildern manifestierte Erwartungshaltung an Führung und die daraus abgeleiteten Führungsaufgaben sowie die persönlichen Führungsstile spielen eine wesentliche Rolle. Dabei sind zudem stets die wirtschaftlichen und ablauforganisatorischen Aspekte in die Überlegungen einzubeziehen.

Die Führungskultur der einzelnen Behörden und der Führungsstil der Führungskräfte (vgl. EXKURS 2 zu Führungsstilen) haben unmittelbaren Einfluss auf den damit verbundenen Führungsaufwand.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 17: vom IST zum SOLL und zur Fortschreibung

2.4.3.5.2.4.2 Vorgehen bei der Bemessung von Führungs- und Leitungsaufgaben

Leitfragen

Zum Einstieg in das Thema "Bemessung von Führungs- und Leitungsaufgaben" bzw. "Ermittlung einer sachgerechten Führungs- und Leitungsspanne" ist es lohnend , vorab einige Fragen zu stellen, beispielsweise:

  • Wie ist die Erwartungshaltung an Führungs- und Leitungsaufgaben in der Behörde/Organisationseinheit ausgeprägt?
  • Gibt es Führungsleitlinien der Behörde/Gesamtorganisation?
  • Wie laufen die Kommunikationswege? Entspricht die Kommunikation der Aufbauorganisation?
  • Gibt es Anforderungsprofile für Führungskräfte in der Behörde?
  • Was sagen Stellenbeschreibungen und Dienstpostenbewertungen aus?
  • Welche Führungs- und Leitungsaufgaben werden konkret durch die Führungskraft wahrgenommen?
  • Inwiefern sind herausgehobene Fachaufgaben im Sinne der GGO [21] wahrzunehmen?
  • Welche Aufgaben, außerhalb der unmittelbaren Führung- und Leitung, sind bei der Stelle angesiedelt?
  • Entspricht die Kommunikation der Aufbau- und Ablauforganisation?
  • Wird ein regelmäßiges Führungskräftefeedback durchgeführt? Wie geht die Behörde mit den Ergebnissen um?
  • Gibt es konkrete Ideen von Beschäftigten und/oder Führungskräften, zur Optimierung der Führungs- und Leitungsaufgaben? (ggf. ergeben sicher hieraus bereits wichtige Aspekte für das SOLL)

Hinweis: Sollten die o. g. Fragen nicht hinreichend zu beantworten sein, besteht bereits unabhängig von der Ermittlung des Personalbedarfs an dieser Stelle Handlungsbedarf: Insbesondere Anforderungsprofile, Stellenbeschreibungen und Dienstpostenbewertungen sollten Aufschluss über Anforderungen an Führung und Leitung in der Behörde geben. Auch Führungsleitlinien oder Führungsgrundsätze unterstützen eine einheitliche Führungskultur in der Organisation und setzen Leitplanken für die den Personalaufwand im Rahmen der Führungs- und Leitungsaufgaben.

Schwerpunkte und Anforderungen des Führens und Leitens

Auf Basis dieser Leitfragen können die Schwerpunkte bei der Aufgabenwahrnehmung des Führens und Leitens identifiziert werden. Diese sind in der Regel:

  • Ziele zu setzen und dementsprechend Aufgaben zu priorisieren; Zeiten und Ressourcen zu planen, zuzuteilen, zu delegieren, bedarfsgerecht zu kontrollieren und situativ anzupassen,
  • die Organisation zu gestalten (sowohl die Organisationseinheit aufzubauen als auch die Prozesse zu entwickeln und im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses anzupassen [22]),
  • langfristige Ziele und Planungen entsprechend frühzeitig einzuleiten,
  • Situationsbewusstsein der Beschäftigten zu schärfen,
  • Innovationen voranzutreiben,
  • übergeordnete Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen,
  • Aufgaben der Mitarbeiterführung wahrzunehmen, d. h. arbeits- und dienstrechtliche Belange wahrzunehmen, Beschäftigte auf dem Weg zur Zielerreichung zu unterstützen, zu beraten und zu begleiten,
  • Beschäftigte zu entwickeln und zu fördern,
  • die Zusammenarbeit innerhalb der Organisationseinheit zu stärken,
  • die Belange der Organisationseinheit nach außen zu vertreten,[23]
  • die Zusammenarbeit mit anderen Organisationseinheiten sicher zu stellen.

Zusätzliche Anforderungen ergeben sich z. B. durch das Führen und Leiten

  • in verschiedenen Organisationskulturen,
  • in generationenübergreifenden Teams,
  • in standortübergreifenden Teams,
  • bei mobiler Arbeit, Telearbeit, Homeoffice,
  • von Expertinnen und Experten
  • in Extremsituationen,
  • in fremder Sprache / in verschiedenen Sprachen.

Aus diesen Anforderungen ergeben sich die Führungs- und Leitungsaufgaben [24], die weiter untergliedert (vgl. auch Methode Aufgabengliederung) werden können. Anschließend besteht für einen Teil der Aufgaben die Möglichkeit, diese analytisch zu bemessen. Die verbleibenden Führungs- und Leitungsaufgaben können mit Unterstützung des situativen Ansatzes und der summarischen Ermittlung erfasst werden.

Ableitung der Führungs- und Leitungsaufgaben

Im Folgenden werden unter Führung die Teilaspekte "Führen" im engeren Sinne als Mitarbeiterführung und "Leiten" als Gesamtsteuerung der Organisationseinheit verstanden. In bestimmten Fallkonstellationen sind dabei die Übergänge von Fach- zu Führungsaufgaben fließend und in der Abgrenzung situationsgerecht zu gestalten.
Anlage 4: Muster-Aufgabengliederung/Standard-Aufgabengliederung für Führungs- und Leitungsaufgaben (optionale Arbeitshilfe)


Empfehlungen zu Leitungsspannen und mögliche Herleitungen

In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird in der Regel eine Leitungsspanne zwischen 1:7 und 1:10 empfohlen. Das bedeutet, eine Person sollte zwischen sieben und zehn Beschäftigten führen.

In der Praxis beeinflussen die Aufgaben und verschiedene Rahmenbedingungen (situativer Ansatz) die Wahl der Leitungsspanne. Dies wird in der Umsetzung zur Wahl einer bestimmten Leitungsspanne und zu entsprechenden Effekten führen.
Diese sind in einem Exkurs (Exkurs 3) beispielhaft dargestellt.

Vorgehensweise für die Bestimmung der Leitungsspanne

Im folgenden Abschnitt wird ein Modell für ein Vorgehen für die Bestimmung einer sachgerechten Leitungsspanne vorgestellt. Dieses gestaltet sich wie folgt:

1. Schritt 1 – IST-Zustand erfassen

Aufgaben definieren und identifizieren

Methodenmix berücksichtigen: In der Regel ist für die Ermittlung des IST-Zustandes ein Mix aus mehreren Methoden notwendig:

a. per summarischer Ermittlung einen ersten Überblick erhalten, z. B. bei Leitung eines neuen Aufgabengebietes
b. situative Aspekte für die entsprechenden Aufgaben einbinden (situativer Ansatz)
c. Zeitwerte für Führungs- und Leitungsaufgaben (im Rahmen von PBE) konkret erheben (analytische Ermittlung)

2. Schritt 2 –IST-Zustand analysieren und bewerten

  • Ergebnisse behördenspezifisch würdigen, analysieren und bewerten, d. h.: Aufgaben und Prozesse kritisch hinterfragen.
  • Führungs- und Organisations-kultur, Führungs-leitlinien berücksichtigen [27]

3. Schritt 3 – SOLL entwickeln / SOLL-Zustand konzipieren

  • Zeitwerte anhand erfasster und dokumentierter Datengrundlagen verbindlich setzen, begründen und als SOLL definieren
  • SOLL-IST-Abgleich durchführen
  • Zukunftsszenarien berücksichtigen

4. Schritt 4 – Fortschreiben

  • Zeitwerte in den Folgejahren fortschreiben (bei Bedarf anpassen, dokumentieren)

Der Methodenmix zur Ermittlung von Führungs- und Leitungsaufgaben ist im Detail im Methodenteil beschrieben.

Fußnoten

[17] Nicht gemeint ist an dieser Stelle die Arbeit in Projekten, wenn die Daueraufgabe ständig in Projektform organisiert wird und die Daueraufgabe daher gewissen Standards unterliegt (z. B. die Bearbeitung von Aufträgen in der IT-Entwicklung innerhalb eines IT-Referates).
[18] Der Begriff der Mischaufgaben entfällt zukünftig.
[19] § 46 des Bundespersonalvertretungsgesetzes regelt die Rechtsstellung sowie die Freistellung von Mitgliedern der Personalvertretung für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung des Personalrates (z. B. Sitzungen). Die Rechtsstellung und Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten sind in den §§ 24 und 28 des Bundesgleichstellungsgesetzes niedergelegt.
[20] Exemplarische Auflistung von Führungs- und Leitungsaufgaben vgl. Anlage 3
[21] § 9 (2) GGO: "Neben den Leitungs- und Führungsaufgaben soll die Referatsleitung herausgehobene Angelegenheiten des Referats selbst bearbeiten."
[22] Die Gestaltungsmöglichkeiten einer Führungskraft sind in der Praxis unterschiedlich stark ausgeprägt. In einem Massenverfahren mit 15 gleichartigen Referaten beispielsweise wird die einzelne Referatsleitung wenig Einfluss auf die Prozesse etc. haben.
[23] Vgl. Bokranz zur Leitungstiefe und Leitungsbreite
[24] vgl. auch Muster-Aufgabengliederung/Standard-Aufgabengliederung (optionale Arbeitshilfe, Anlage 4)
[25] Grundsätze der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder für die Verwaltungsorganisation, 5. Dezember 2016
[26] Vgl. 2.4.3.11.7 Methodenmix zur Ermittlung von Führungs- und Leitungsspanne
[27] Hier ist es auch wichtig, dass jemand außerhalb der Organisationseinheit die individuellen Führungsstile behördenspezifisch würdigt (insbesondere bspw. bei individuellen Führungsstilen, die z. B. redundante Aufwände verursachen), analysiert und bewertet sowie Änderungen für die Zukunft (SOLL) konzipiert.