2.4.3.8.4 Saisonale Schwankungen im Aufgabenvolumen | Bearbeitungsrückstände
Typ:
Artikel
, Schwerpunktthema:
Einführung
Quelle: Gerd Altmann_Pixabay
Wie ist mit saisonalen Schwankungen im Aufgabenvolumen bzw. Arbeitsanfall umzugehen?
Wie ist mit Aufgabenpriorisierungen umzugehen?
Wie entstehen Bearbeitungsrückstände und wie können diese mit Unterstützung von PBE-Daten aufgelöst werden?
Hintergrund
Behörden sind regelmäßig damit konfrontiert, dass das Arbeitsaufkommen in den verschiedenen Arbeitsbereichen sehr unterschiedlich und im Zeitverlauf stark schwankend sein kann. So können Belastungsspitzen im Tages-, Wochen-, Monats-, Quartals-, Halbjahres- und Jahresverlauf entstehen. Ein allgemein anwendbares Verfahren, wie mit solchen Schwankungen im anfallenden Arbeitsvolumen umzugehen ist, existiert bisher nicht. Vielmehr bieten sich je nach Situation und Behörde (messbare Rückstände in Form von Zeiten und Mengen versus Priorisierung und Wahrnehmung dispositiv-kreativer Aufgaben) unterschiedliche Möglichkeiten.
Umgang mit Schwankungen im Aufgabenvolumen bzw. Arbeitsanfall, Priorisierung von Aufgaben
Das Aufgabenportfolio einer Organisationseinheit unterliegt immer Veränderungen. Dies kann einerseits auf die Nähe der Aufgaben zum politisch-parlamentarischen Raum und damit verbundenen inhaltlichen und zeitlichen Abhängigkeiten zurückzuführen sein, andererseits auf Priorisierungen seitens der verschiedenen Leitungsebenen innerhalb der eigenen Organisation.
Beispielsweise stieg der Arbeitsaufwand für die Aufgaben im Bereich der IT-Sicherheit und des IT Sicherheitsmanagements aufgrund verschiedener Einflussfaktoren in den vergangenen 10–15 Jahren deutlich. Auch die Teilnahme an Gremien, Ausschüssen und Kongressen auf EU-Ebene ist deutlich gestiegen. Seit dem Regierungsprogramm Digitale Verwaltung 2020 prägen außerdem die Themen Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung das Geschehen in den Organisationseinheiten sowie Behörden insgesamt. In diesem Themenkomplex sind jedoch viele Aufgaben enthalten, die die Arbeit der Organisationseinheit in den vergangenen Jahren bereits bestimmt hatten (beispielsweise die Einführung der elektronischen Aktenführung).
Schwankungen sind in vielen Aufgabenfeldern typisch, unabhängig davon, ob die Aufgaben sich überwiegend als dispositiv-kreativ oder als quantifizierbar charakterisieren lassen. So können beispielsweise in einem Massenverfahren die antragsstarken Monate Dezember und Januar bekannt sein. Hier wird mit organisatorischen Maßnahmen, wie z. B. zeitlich befristeter Personalverstärkung, zeitweisen Urlaubssperren und Anordnung von Überstunden, Verlängerung der Durchlaufzeit (von beispielsweise fünf auf zehn Arbeitstage vom Eingang bis zur Bescheiderteilung für Anträge, die im Zeitraum Ende November bis Anfang Februar eingehen) etc. gearbeitet. Die Grenzen organisatorischer Maßnahmen sind dann erreicht, wenn z. B. ein überproportionaler Anstieg an Erkrankungen der Beschäftigten oder technische Einschränkungen in dieser Phase erfolgen.
In der Organisationseinheit sollten alle Aufgaben auch deshalb dem Gebot ständiger Priorisierung unterliegen. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung muss eine Priorisierung jedoch mindestens innerhalb der verfügbaren Kapazitäten erfolgen. Dies heißt auch, sich möglichst von Aufgaben zu trennen, diese abzuschichten, aufzuschieben oder an einer Stelle zu bündeln, um unnötige Schnittstellen zu vermeiden (vgl. auch Zweckkritik). In der Organisationseinheit muss zunächst eine Konsolidierung der bestehenden Aufgaben erfolgen. Die Organisatorinnen und Organisatoren können hierzu mit Empfehlungen zur möglichen Verzichtbarkeit und Verlagerbarkeit von Aufgaben Wege aufzeigen.
Die Empfehlungen basieren auf der Strategie der Behörde, auf der strategischen Zielsetzung der Behördenleitung und ggf. einer entsprechenden Grundsatzentscheidung der Behördenleitung oder der Leitung der Organisation:
- Handelt es sich um eine Muss-Aufgabe, Kann-Aufgabe oder „Wunsch“-Aufgabe (vgl. auch Zweckkritik)?
- Ist es wirklich eine Aufgabe der Organisationseinheit, die nicht mehr erfüllt werden kann?
- Und in der Folge: Muss oder soll die Aufgabe bemessen werden?
Sind keine Hinweise festzustellen, dass aus Sicht der Organisationseinheit wichtige oder zeitlich dringende Aufgaben unbearbeitet blieben oder selbst gesetzte Fristen nicht immer eingehalten werden, führt dieses nicht immer automatisch zu einem Personalmehrbedarf.
Insbesondere im Rahmen von Leitung und Führung sind durch die Führungskräfte ständige Aufgabenkritik und -priorisierung zu leisten, um das Aufgabenportfolio den verfügbaren Ressourcen entsprechend anzupassen. Dies heißt auch, dass künftig nicht jedes wünschenswerte Vorhaben beispielsweise in der Verwaltungsmodernisierung und bei Digitalisierungsvorhaben sofort und binnen kurzer Frist umsetzbar sein wird. Auch ehrgeizige Regierungsprogramme müssen diesbezüglich einer kritischen Machbarkeitsanalyse unterzogen werden.
Die Gefahr, dass die originären ministeriellen Aufgaben [38] beispielsweise durch die Vielzahl an IT-Projekten in den Hintergrund geraten, andererseits IT-Projekte mangels Ressourcen sowie Zeit scheitern und immense Kosten verursachen, ohne entsprechende Ziele zu erreichen, ist zu groß. Es obliegt den Zentralabteilungen der Behörden und Ministerien sowie den Fachaufsichten, die entsprechenden Organisationseinheiten bei der Priorisierung zu unterstützen und eng zu begleiten.
Organisatorische Lösungsmöglichkeiten sind u. a.:
Schichtmodelle
Schichtmodelle eignen sich bei regelmäßig und dauerhaft vorliegenden Schwankungen im Wochen- oder Tagesverlauf. Die Anzahl der eingesetzten Beschäftigten kann mit einem entsprechenden Schichtmodell dem zu erwartenden Arbeitsbedarf angepasst werden. Folglich bietet es sich an, für Tageszeiten und Wochentage mit besonders hohem Arbeitsvolumen mehrere parallele und/oder zeitlich überschneidende Arbeitsschichten einzurichten. Außerdem ist ein Schichtsystem erforderlich, wenn ein Personalbedarf besteht, der über die gewöhnliche Wochenarbeitszeit einer Vollzeitkraft hinausgeht. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Stelle durchgehend an sieben Tagen in der Woche und 24 Stunden am Tag besetzt sein muss.
Urlaubssperren, Überstunden
In den Zeiträumen, in denen ein erhöhtes Arbeitsaufkommen vorliegt, welches die vorhandenen Personalkapazitäten übersteigt, kann dem teilweise mit der Verhängung von Urlaubssperren oder dem Aufbau von Überstunden entgegengetreten werden. Überstunden können vom Arbeitgeber angeordnet werden oder im Rahmen der gleitenden Arbeitszeit anfallen. In den Zeiträumen mit geringerer Arbeitsbelastung werden die Überstunden abgebaut bzw. der Urlaub genommen. Diese Instrumente sind aber durch die einschlägigen Rechtsvorschriften für den öffentlichen Dienst reglementiert und nur in Ausnahmefällen bei unplanmäßigem und zeitlich begrenztem Ausmaß an Mehrbelastung heranzuziehen. Zudem bedürfen sie einer gut planbaren Arbeits- und Urlaubseinteilung. Urlaubssperren sind besonders geeignet bei planbaren Monats-, Quartals-, Halbjahres- und Jahresspitzen. Überstunden eignen sich dagegen für Wochen- und Monatsspitzen.
Personaleinstellung
Sofern abzusehen ist, dass ein erhöhtes Arbeitsaufkommen entstehen wird bzw. bereits eine Arbeitsbelastung besteht, welche nicht mehr zu leistende Rückstände nach sich zieht, kann es sich anbieten, Personal einzustellen, dessen Arbeitsvertrag auf den Abbau der Rückstände ausgelegt und entsprechend befristet ist (Sachgrundbefristung). Hierbei ist aber zu beachten, dass viele Aufgaben eine längere Einarbeitungszeit erfordern, welche auch zusätzliche Kapazitäten des Stammpersonals bindet. Rückstände können damit im Zeitraum der Einarbeitung sogar noch anwachsen. Sachgrundbefristete Werkverträge sind nur bei größeren Rückstandsmengen oder Projekten sinnvoll. Sie unterliegen keinem Zeitintervall sondern sind individuell einsetzbar.
Personalausleihe
Bei Aufgaben, die keiner längeren Einarbeitungszeit bedürfen, ist es möglich, bei ungeplanten Arbeitsspitzen weiteres Personal, welches sonst mit anderen Aufgaben betraut ist, hinzuzuziehen. Bei der Ausleihe bietet es sich an, Personal zu verwenden, das ähnliche Aufgaben im Bereich erfüllt. Wenn möglich, ist auf ehemalige Mitarbeitende zurückzugreifen, die noch in der Behörde sind.
Personalsplitting
Abteilungen oder kleinere Behörden können sich Beschäftigte teilen. Der/die Beschäftigte wird organisatorisch auf mehrere Organisationseinheiten aufgeteilt. Ein Beispiel hierfür sind Beschäftigte einer Poststelle, die, nachdem sie morgens die abgeholte Post sortiert haben, eingegangene Schreiben einscannen. So werden Zeiten, in denen das Arbeitsvolumen geringer ist, genutzt, um Rückstände zu bearbeiten. Personalsplitting ist bei planbaren und mehrere Monate/ Jahre dauernden Aufgabenbelastungen sinnvoll.
Springer
Haben Behörden hohe Schwankungen im Arbeitsvolumen oder häufig nicht geplante, kurzfristig zu bewältigende Arbeitsprobleme können Springer eingesetzt werden. Diese werden dann ad hoc in den Bereich beordert, arbeiten das Pensum ab und stehen für den nächsten Bereich zur Verfügung. Der Einsatz von Springern eignet sich in großen Organisationseinheiten, in denen viele Beschäftigte gleiche oder ähnliche Aufgaben ausführen und somit keine bzw. nur eine kurze Einarbeitung notwendig ist. Springer dienen primär zum Abarbeiten von tages- oder wochenzyklischen Schwankungen.
Definition und Bewältigung von Rückständen in der Aufgabenwahrnehmung
Wenn das erhöhte Arbeitsaufkommen nicht vollständig bewältigt werden kann, entstehen Rückstände:
Ein Bearbeitungsrückstand liegt vor, wenn eine Bearbeitung nicht innerhalb von gesetzlichen, politischen oder behördlichen Vorgaben/Fristen erfolgt oder die berechtigte Erwartung der Beteiligten/Kunden/Bürger an eine zügige Bearbeitung ihrer Anliegen nicht erfüllt wird. Rückstände können prioritäre Aufgaben betreffen, wenn diese aufgrund eines zu geringen Stammpersonals, von Personalausfällen oder externer Rahmenbedingungen (z. B. doppelter Abiturjahrgang beim BAföG) nur langsam bearbeitet werden.
Daneben kann es sich um Aufgaben handeln, die zurückgestellt werden, da andere Aufgaben als vordringlicher und/oder wichtiger priorisiert sind. Soweit möglich, ist es sinnvoll, dass Behörden eine sachverhaltsabhängige interne Definition eines Bearbeitungsrückstandes festlegen.
In der Personalbedarfsermittlung wird der Aufwand für die Abarbeitung der bestehenden Bearbeitungsrückstände erhoben und im SOLL-Konzept als zeitlich befristeter, einmaliger Personalmehrbedarf ausgewiesen. Dieser temporäre Personalbedarf wird über ein oder mehrere Jahre für definierte Rückstände in der Bewirtschaftung, nicht aber als haushaltsbegründende Unterlage für die Anmeldung von Planstellen, berücksichtigt.
Die Erhebung der Bearbeitungsrückstände sollte zu Beginn und am Ende der Erhebungsphase erfolgen, um einen Trend erkennen zu können.
Die Bearbeitung des Arbeitsvolumens sollte einer Priorisierung folgen. Die Aufgaben, die als weniger dringend angesehen werden, können dann in Zeiten bearbeitet werden, in denen das Arbeitsaufkommen geringer ist. Bei planbaren Größen kann das bewusste Ansammeln von Rückständen für aufkommensschwache Zeiten ein wirksames Instrument sein, um eine durchgehende Auslastung des Personals zu erreichen (Speicherarbeiten). Die bewusste Ansammlung von Rückständen hilft bei planbaren und nicht planbaren Arbeitsschwankungen bis zu mehreren Wochen. Danach muss über andere Methoden der Arbeitsbewältigung nachgedacht werden.
Fußnoten
[38] Vgl. Anhang 2, Ziff. 1. der Grundsätze für die Verwaltungsorganisation der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (Stand: 05.12.2016)
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